Episode 213: Fargo – Blut im Schnee
Das verschneite Minnesota in den USA ist für seine Höflichkeit bekannt. Wo wenn nicht dort lässt sich eine Geschichte um Mord, Habgier und Entitlement erzählen? Die Coens lieben die scheinbaren Widersprüche und erzählen hier mit einer wunderbaren Prise schwarzem Humors.
Aber worum geht es? Der verschuldete Autoverkäufer Jerry Lundegaard plant, seine Frau von zwei zwielichtigen Gestalten entführen zu lassen, um von seinem wohlhabenden Schwiegervater Lösegeld zu erpressen. Der Plan gerät außer Kontrolle, als die Entführer in eine Polizeikontrolle geraten und dabei zwei Menschen töten. Die schwangere und sehr nette Polizistin Marge Gunderson macht einen verdammt guten Job und kommt langsam den chaotischen Verbrechern auf die Spur. Währenddessen eskalieren Gewalt und Misstrauen zwischen den Beteiligten, und Gaear tötet sowohl die Frau von Jerry, die eigentlich unbeschadet hätte zurück kommen sollen, als auch seinen Partner, der ihm einfach zu sehr auf die Nüsse geht. Marge gelingt es schließlich, Gear zu fassen, während Jerry verhaftet wird.
: Podcast: Der mussmansehen Podcast - Filmbesprechungen Episode: Episode 213: Fargo – Blut im Schnee Publishing Date: 2025-01-29T08:02:48+01:00 Podcast URL: https://podcast.mussmansehen.de Episode URL: https://podcast.mussmansehen.de/2025/01/29/episode-213-fargo-blut-im-schnee/
Florian Bayer: Diese Art zu reden von seiner Figur, die ist ja wirklich sehr speziell mit sehr vielen Stottern und dieses ganze Zeit dieses Lügen. Das war im Skript.
Johannes Franke: Das war alles im Skript.
Florian Bayer: Er hat das nicht improvisiert. Das haben ihm die beiden hingelegt und er musste das dann einfach umsetzen.
Johannes Franke: Ding, ding, ding, ding, ding, ist wieder so weit, es ist wieder so weit. Wir, wir, wir, dann steigen, steigen wir ein, steigen wir ein, wer hat noch keine Runde? Floor, bist du dabei?
Florian Bayer: Wie kriegst du diese Rummel-Metapher zu dem Film, über den wir heute reden?
Johannes Franke: Keine Ahnung. Ich sitze hier verzweifelt und denke,
Florian Bayer: wie kommen wir in die Episode?
Johannes Franke: Und mein Hirn macht sofort ding, ding, ding, ding, ding. Noch eine Runde, noch eine Runde.
Florian Bayer: Johannes hat mir diese Woche einen Film aufgegeben und der hat nichts, aber auch wirklich gar nichts mit Rummel zu tun. Nämlich Fargo aus dem Jahr 1996. Ja,
Johannes Franke: Fargo. Hier im Muss-Man-Sehen-Podcast, wo wir uns gegenseitig Filme geben und hoffen, dass sie den Horizont des anderen erweitern. Und wir werden sehen, ob ich deinen Horizont erweitert habe, weil du kennst den Film schon. Ja,
Florian Bayer: also das war tatsächlich einer meiner liebsten Cone-Filme. Deswegen war es schwer, meinen Horizont zu erweitern. Aber es ist lange her, dass ich ihn das letzte Mal gesehen habe.
Johannes Franke: Okay, immerhin das. Und ihr da draußen habt hoffentlich den Film auch gesehen, weil es macht eindeutig mehr Spaß, uns zuzugucken oder zuzuhören, wenn ihr wisst, wovon wir reden.
Florian Bayer: Dann erzähl doch mal, worum geht es denn in dem Film?
Johannes Franke: Fargo, das verschneite Minnesota in den USA ist für seine... Höflichkeit bekannt. Wo, wenn nicht dort, lässt sich eine Geschichte um Mord, Habgier und Entitlement erzählen. Die Coens lieben die scheinbaren Widersprüche und erzählen hier mit einer wunderbaren Prise schwarzen Humors. Aber worum geht es? Der verschuldete Autoverkäufer Jerry Lundegaard plant, seine Frau von zwei zwielichtigen Gestalten entführen zu lassen, um von seinem wohlhabenden Schwiegervater Lösegeld zu erpressen. Der Plan gerät außer Kontrolle, als die Entführer in eine Polizeikontrolle geraten. Sehr dumm, auf sehr dumme Wartungweise. Habe ich schon gesagt, dass das sehr dumm war. Und dabei zwei Menschen töten. Die schwangere und sehr nette Polizistin Marge Gunderson macht einen verdammt guten Job und kommt langsam den chaotischen Verbrechern auf die Spur. Währenddessen eskaliert Gewalt und Misstrauen zwischen den Beteiligten. Habe ich schon gesagt, dass sie richtig dumm sind, die beiden. Und Geir tötet sowohl... die Frau von Jerry, die eigentlich unbeschadet hätte, zurückkommen sollen, als auch seinen Partner, der ihm einfach zu sehr auf die Nüsse geht. Marge gelingt es schließlich, Gail zu fassen, während Jerry verhaftet wird und unglaublich dumm wie ein kleines Kind vor sich hin heult. Und um mal ins Gespräch zu kommen, Floor, wie würdest du Steve Buscemi beschreiben?
Florian Bayer: Funny?
Johannes Franke: Richtige Antwort, 100%.
Florian Bayer: Funny looking. Es ist nur ein lustiger Typ. Nur generell. Lustiger Typ. Und es ist die beste Beschreibung von Steve Buscemi's Aussehen, die man sich vorstellen kann.
Johannes Franke: Es gibt doch keine bessere. Es gibt einfach keine. Und ich weiß nicht, wie Steve Buscemi sich dabei fühlt. Und mir die ganze Zeit gesagt wird, ja, das Einzige, was wir über dich wissen ist, du siehst seltsam aus.
Florian Bayer: Aber ich glaube, für die Rollen, für die er in Frage kommt, für die er... Ja, der hat ja schon so ein bisschen eine Ahnung, dass es auch mit seinem Aussehen zusammenhängen könnte.
Johannes Franke: Ein bisschen.
Florian Bayer: gehe mal davon aus, dass er drüber steht.
Johannes Franke: Ja, natürlich. Er hat genug Geld, um sich die Tränen wegzuwischen, würde ich sagen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Also wir vergießen hier keine Tränen für das Aussehen von Steve Buscemi. Nein. In einem Film, in dem alle irgendwie ein bisschen funny looking sind, um ehrlich zu sein. Also sowohl Jerry als auch Marge.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Als auch der Rest des Casts.
Johannes Franke: Jerry sieht wirklich, man sieht ihm die ganze Zeit an, wie wenig Ahnung und wie wenig Plan er eigentlich hat. Und dabei aber vortäuscht, er hätte alles unter Kontrolle. Ich habe als erstes aufgeschrieben, nachdem ich darüber nachgedacht habe, was Jerry ist, habe ich aufgeschrieben, Dunning-Kruger-Effekt der Film. Also ein Typ, der die ganze Zeit denkt, er wäre der Beste und Tollste in dem, was er da versucht als Plan durchzuziehen. Und immer wieder feststellt, oh, ich habe meinen eigenen Sohn vergessen.
Florian Bayer: Wie machen wir das jetzt noch? Ich finde ja, Jerry ist eine total krasse Figur. Und zwar, weil er... Er ist so erbärmlich. Also es gibt so viele Momente, wo man richtig wütend auf ihn ist. Also er ist so der typische Heel, so richtig hassenswert mit diesem schmierigen, erbärmlichen, mit diesem Gejammer und mit diesem Flehen und so. Also alle diese ganzen Klischees.
Johannes Franke: Wahnsinn.
Florian Bayer: Aber dann hat man auch so oft Mitleid mit ihm. Ja. Weil er wirklich, weil er in diesem erbärmlichen und in diesem schwachen geht ja alles schief und er ist auch so traurig dabei, ne?
Johannes Franke: Natürlich, die ganze Zeit. Und wie er da am Telefon sitzt und schon allein daran verzweifelt, diese... diese Seriennummern nicht übermitteln zu können.
Florian Bayer: Wie er seine Lügen runterstottert und sich dabei immer weiter verfängt und einfach das durchzieht und gleichzeitig ich finde, also ich finde die krasseste Szene von Jerry ist, wie er mit diesem Paar redet und der hat ihnen ja irgendwelche Features verkauft, die sie nicht haben wollten. Und sie sehen stinksauer auf. Und man denkt auch, was für ein Wichser. Er lügt die an und dann ist aber der Moment, wo der Mann sagt, sie haben uns angelogen, sie haben uns eiskalt ins Gesicht gelogen. Und Jerry sitzt da und er weiß es und er guckt, sieht einfach nur zerknirscht und fertig aus und traurig. Man merkt, das ist auch so ein Mann, der muss so viel Selbsthass mit sich rumtragen. Oh Gott. Er wird die ganze Zeit bloßgestellt für das, was er ist.
Johannes Franke: Ja, ja, ja, total. Und ich weiß nicht, wie er überhaupt auf den Gedanken kommt, das alles durchziehen zu können, was er da macht. Er zieht sein ganzes Leben glaube ich so durch, wie er das durchzieht. Ich glaube, das macht für ihn keinen Unterschied mehr, weil er sowieso die ganze Zeit... herausgefordert wird von irgendwelchen Leuten, die sagen, Alter, was machst du da?
Florian Bayer: Es ist so eine erbärmliche Figur. Es wird halt während des Films immer schlimmer. Und man ärgert sich dann, dass man Mitleid mit ihm hat, weil man merkt, also ich meine, das ist der große Coup, den er vorhat. Er lässt seine Frau entführen, was echt eine krasse Geschichte ist. Aber dann merkt man, das Leben von ihm spielt die ganze Zeit in diesen kleinen Coups ab. Dass er diese Nummernschilder fälscht und dann nicht rausrücken kann damit. Dass er seinen Vater auch belügt mit diesen... Angeboten, die er ihm macht, um irgendwelche Investments aus ihm rauszulocken. Und er ist einfach so eine richtig erbärmliche, schmierige Händlerfigur. Ich habe eine Schwäche für schwache Figuren. Also die weckt bei mir direkt so ein bisschen Mitleid und dann denke ich, ach du armer Kerl, du bist so ein Monster. Ich hasse dich.
Johannes Franke: Wirklich. Er hat sowas Psychopathisches zwischendurch, weil er das überhaupt in der Lage ist, durchzuziehen. Aber auf der anderen Seite hat er eben diese emotionalen Momente, wo man denkt, oh Gott, ich will dich in den Arm nehmen und einmal sagen, dass alles gut wird. Aber es wird nichts gut. Auf die Art wird überhaupt nichts gut.
Florian Bayer: Es ist ja auch total krass. Ich meine, was er macht. Selbst wenn das gut gehen würde, was er da macht. Seine Frau wird traumatisiert, weil sie drei Tage abgeführt werden.
Johannes Franke: Und sein Sohn, an den er nicht ein einziges Mal gedacht hat. Was wir jetzt gleich am Anfang, wo ich gedacht habe, meine Güte. Es gibt diese Situation im Film, wo er wirklich, einer spricht ihn darauf an. Und was ist mit deinem Sohn? Und er steht da und sagt, der ist mir völlig entfallen in der ganzen Geschichte. Und ich denke die ganze Zeit, wie zur Hölle kann dir dein Sohn entgangen sein?
Florian Bayer: Es ist so abgefuckt. Es ist auch wie er mit seinem Sohn redet. Wenn er zum ersten Mal mit seinem Sohn dieses Gespräch führt, okay, deine Mutter wurde entführt und er versucht ihn irgendwie zu beruhigen. Und man hat so das Gefühl, er will so schnell wie möglich aus diesem Zimmer raus. Er hat überhaupt keinen Bezug zu seinem Sohn.
Johannes Franke: Er hat keinen Bezug zur Realität.
Florian Bayer: Nachdem er von dieser Konfrontation mit den... mit Karl zurück ist, wo Karl seinen Schwiegervater erschossen hat. Wir sehen seinen Sohn nicht mal. Er ruft nur hoch ins Zimmer von seinem Sohn. Ja, ja, alles gut. Ich mach mal, bleib mal.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Und ich krieg, ich hab das alles im Griff. Es ist so düster, dieses arme Kind. Das Kind ist das eigentliche Opfer dieses Films.
Johannes Franke: Absolut. Absolut.
Florian Bayer: Und ich mein, ey, das Kind wird erfahren, deine Mutter ist tot, weil dein Vater zwei Gangster angeheuert hat, um sie zu entführen und einer von denen verrückt geworden ist und sie umgebracht hat. Ja.
Johannes Franke: Scheiße. Das fängt ja schon damit an. Wir haben ja eingangs diese Szene, wie er da hinkommt zu den beiden Gangstern. Also erstmal haben wir ganz viel Schnee.
Florian Bayer: Dieser Film ist sehr weiß am Anfang.
Johannes Franke: Was ich sehr schön finde, weil er das Tempoklärm klärt. Er sagt, okay, ihr guckt euch jetzt bitte einmal diesen Schnee an und da kommt ganz hinten, vielleicht kann man ahnen, dass es ein Auto ist. Vielleicht, aber vielleicht auch nicht.
Florian Bayer: Alles verlassen und verloren.
Johannes Franke: Und dann kommt ganz langsam dieses Auto, diese Polizeidinger, die Polizeiautos kommen da lang und fahren an der Kamera vorbei. Aber es dauert einfach ewig. Und das ist das Tempo, was der Film vorgibt und sagt, so, das hält dir aus. Und das ist auch super, dass er das weiterhin durchzieht, weil alle ja auch auf diese Szenen so unbeeindruckt gucken, wie oft Marge einfach nur sagt, ja, dann ist das jetzt so. Gut, dann, ich muss mir kurz durchatmen.
Florian Bayer: Jesus. Ja, genau so,
Johannes Franke: danke.
Florian Bayer: Also, Frances McDormand hat gearbeitet an ihrem Dialekt, um den gut hinzukriegen.
Johannes Franke: Ja, die haben alle dran gearbeitet.
Florian Bayer: Die haben alle an ihrem Dialekt gearbeitet und sie haben, glaube ich, auch alle so ein bisschen ihre eigene Interpretation von diesem Minnesota-Dialekt dann irgendwie reingebracht.
Johannes Franke: Da müssen wir überall, wir müssen über Minnesota Nice reden und über all das, was da dahinter steckt und so.
Florian Bayer: Und über den Filmtitel, weil ja, jetzt kommt nämlich unsere Fargo-Szene. Ganz am Anfang.
Johannes Franke: Die einzige Fargo-Szene, oder?
Florian Bayer: Dieser Film hat nichts mit Fargo zu tun. Der spielt nicht mal im selben Bundesstaat wie Fargo.
Johannes Franke: Aber der Film hätte halt Brainerd heißen müssen sonst. Ich weiß nicht, ob man, ist das so sexy? Nee.
Florian Bayer: Haben die Cones sich auch gedacht. Das war nämlich der einzige Grund, warum sie das Ding Fargo genannt haben.
Johannes Franke: Okay, aber wir waren bei Jerry. Erstmal Jerry. Und lass uns mal durch alle Figuren durchgehen, weil ich finde es ein wahnsinnig interessantes Ensemble. Ja. Das ist ganz toll. Also Jerry haben wir schon... Er ist wirklich absolut, er versucht verzweifelt immer vorzutäuschen, dass er alles unter Kontrolle hat, aber nichts ist unter seiner Kontrolle. Wie gesagt, er fängt schon so damit an, dass er nicht mal auf die Idee kommt, eine Telefonnummer von den beiden aufzunehmen. Alter, ja. Und überhaupt nicht in Frage zu stellen, dass dieser Typ noch einen zweiten mitbringt, der nicht gerade so aussieht, als ob man ihm irgendwas intellektuell, irgendwas zutraut. Da weiß man ja schon, dass er den Typen am Ende erschießen wird, weil er einfach keine Lust mehr hat.
Florian Bayer: Das Problem ist halt wirklich, dass Jerry zu schwach ist. Er kann die Leute nicht konfrontieren richtig und er wieselt sich durch. Aber er macht damit ja auch wirklich scheiß Sachen und er ist auch gemein anderen gegenüber, aber immer auf diese wieselige Art. So wie er mit seinen Käufern von den Autos rät, wie er übers Ohr haut. So redet er mit den beiden Verbrechern und so redet er auch mit Marge. Er schafft es einfach nicht, klare Sachen zu sagen, sondern er versucht es immer über diese wieselige Art und im schlimmsten Fall rennt er dann einfach weg und entzieht sich komplett jeglicher Verantwortung.
Johannes Franke: Und dass er nicht aufhören kann. Es gibt so viele Momente in diesem Film, wo er einfach hätte aufhören können. Spätestens wenn der Schwiegervater gestorben ist und Steve Buscemi alles eigentlich an der Backe hat, könnte man ihm das an der Backe lassen und sagen, ich ziehe mich da raus.
Florian Bayer: Er hat sich zu sehr, dieses Konstrukt gesteigert, er ist ja ein notorischer Lügner und er belegt sich ja auch selbst.
Johannes Franke: Total. Und es ist so krass, er hat irgendwie so ein ganz, ganz, also es ist wie als wenn er ein Drehbuch, ein ganz schlechtes Drehbuch für das geschrieben hätte, was er da vorhat. Alle anderen halten sich nicht ans Drehbuch und improvisieren und er kennt keine einzige Regel von Improvisation. Er hat noch nie was von Yes, And gehört.
Florian Bayer: Er versucht es einfach nur durchzuziehen und es scheitert natürlich komplett. Also er ist so ein Musterversager. Das ist auch bemitleidenswert. Aber wenn man drüber nachdenkt, was er für eine Scheiße da abzieht und was er für eine Scheiße im Kleinen abgezogen hat davor, dann... Ja, dann ist bei all der Erbärmlichkeit bis zu dem Punkt, wo er dann am Schluss festgenommen wird, wo er heulend auf dem Boden liegt.
Johannes Franke: Ja, wie so ein kleines Kind. Das ist super krass.
Florian Bayer: Aber das ist genau, das ist vielleicht sogar der Charakter in der Nutshell, dass er dann da heulend liegt und irgendwie, er ist kein handelnder Mensch. Und wenn er handelt, wahrscheinlich ist es auch besser, wenn er nicht handelt. Er sollte nicht handeln.
Johannes Franke: Ich habe natürlich aus meiner Perspektive als großer Kapitalismuskritiker, wenn ich das natürlich in jedem Film irgendwie sehe, habe ich das Gefühl, dass er... Das Produkt dessen ist, was in Amerika so an du musst nach vorne preschen und gewinnen ist. Du musst den Kapitalismus gewinnen. Ich glaube, das ist das, was er auch mit versucht. Natürlich auch zwischenmenschlich und so weiter, aber ich glaube, dass ganz viel davon am Kapitalismus festgemacht wird bei ihm, am Kapital, an der Macht des Geldes.
Florian Bayer: Er ist halt nicht ohne Zufall Verkäufer. Auch die Klischee-Rolle des erfolglosen Versagers im Kapitalismus ist ja der Autohändler. Wenn wir bei den Simpsons zum Beispiel diese Klischee-Figur haben, da haben wir diesen einen Autohändler, der unbedingt, und manchmal ist er dann auch Immobilienhändler, der aber auf jeden Fall verkaufen will. Und wir erfahren eigentlich immer nur, dass er scheitert, dass er es nicht schafft zu verkaufen.
Johannes Franke: Der sieht auch immer verzweifelt aus.
Florian Bayer: Voll verzweifelt. Ich mache alles für sie, wenn sie jetzt kaufen. Und Jerry ist genau diese Klischee-Figur. Dieser Typ, der um jeden Preis verkaufen will, der nicht gut darin ist und der deswegen entweder lügen muss oder halt so schmeicheln und anflehen. Und natürlich ist das was Kapitalistisches. Es ist dieses um jeden Preis meine Provision, mein Leben hängt davon ab. Ich muss das loswerden und dann greifst du irgendwann zu immer krasseren verzweifelten Mitteln.
Johannes Franke: Wie er auch mit seinem Stiefvater da redet.
Florian Bayer: Ja,
Johannes Franke: also Schwiegervater.
Florian Bayer: Und sein Schwiegervater ist Wade, ist vielleicht so ein bisschen so ein Gegenpol, weil der es geschafft hat damit. Ja,
Johannes Franke: auf der gewinnenden Seite.
Florian Bayer: Aber das macht ihn nicht sympathisch. Nein,
Johannes Franke: nein, nein, gar nicht.
Florian Bayer: Er muss vielleicht nicht so lügen und nicht so wieseln wie sein Schwiegersohn, aber er ist so... dominant und selbstgefällig da drin.
Johannes Franke: Ja, er lebt auch davon, ihn klein zu halten.
Florian Bayer: Und wie er ihn klein hält. Also er macht ihn so offensichtlich runter und immer wenn irgendwas kommt, wo der Verantwortung übernehmen könnte, sagt er nein, dafür ist er nicht gemacht. Das ist der Falsche dafür.
Johannes Franke: Und ich finde es super, dass die Gespräche zwischen denen nicht zu sehr ins Klischeehafte abdriften, in dem der Vater und die Frau und alle möglichen... immer wieder auf ihn eindreschen und ihm sagen, wie scheiße oder wie schlecht er ist. Nein, nein, er kriegt nur jede Chance vor der Nase hingewedelt, aber dann doch nicht in die Hand. Und das ist einfach krass, das macht ihn fix und fertig.
Florian Bayer: Ja, überhaupt nicht, also seine Frau überhaupt nicht, ne? Der Fliegervater ist schon ziemlich krass, wir sehen wenig Interaktion zwischen Jerry und Jean,
Johannes Franke: heißt seine Frau.
Florian Bayer: Und sie scheint einfach ein... Ein stignormales, ziemlich langweiliges Hausfrauenleben zu führen. Wir sehen nicht viel. Sie guckt halt Fernsehen, sie macht sauber und strickt, glaube ich. Und dann wird eingebrochen. Das ist alles, was wir von ihr erfahren. Sie redet kaum ein Wort mit ihm. Aber wahrscheinlich steckt sie auch so voll unter der Fuchtel von ihrem Vater.
Johannes Franke: Ja, wahrscheinlich.
Florian Bayer: Es ist also, es wirkt so voll deprimierend, Herren.
Johannes Franke: Total, ja, ja, ja.
Florian Bayer: Auch gerade, weil sie so kommunikationslos ist. Die scheinen ja überhaupt kein gemeinsames Leben zu haben. Und auch mit ihrem Sohn kein gemeinsames Leben. Und dann in dieser Schneeeinöde, wo man sowieso das Gefühl hat, dass da nichts ist.
Johannes Franke: Das versteckt so ein bisschen das Gefühl von der Psychopathie von Jerry. Aber ich bin nicht bereit, da komplett reinzugehen in diese Psychopathie. Ich glaube nicht, dass die existiert in der Form.
Florian Bayer: Es ist halt die Frage. Wenn er so zerknirscht ist, wenn ihm der Typ sagt, sie haben uns angelogen, ist er dann zerknirscht, weil er wirklich Empathie damit hat, ein schlechtes Gewissen hat? Dann wäre das würde gegen seine Psychopathie sprechen?
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Oder ist er nur zerknirscht, weil er erwischt wurde?
Johannes Franke: Ja, das ist meistens eher das Problem, oder? Man ist ja eher zerknirscht, aber ich bin auch nicht psychopathisch, nur weil ich manchmal mich mehr ärgere, dass ich erwischt wurde, als dass ich mich darüber ärgere, was ich da gemacht habe.
Florian Bayer: Ja, Jerry hat auf jeden Fall diese Züge. Nein, die Frage ist halt, hat er irgendwo Empathie? Was er macht, scheint kein, also wenn er seinen Sohn vergisst, wenn er seine Frau von diesen Typen entführen lässt, scheint er keinerlei Empathie für Mitmenschen zu haben. Und das ist natürlich ein ganz wesentliches Merkmal davon. Ja. Wenn er nur sich selbst bemitleidet, dann trifft die Diagnose schon ziemlich gut zu wahrscheinlich.
Johannes Franke: Das heißt, du hast eine Tendenz, was das betrifft?
Florian Bayer: Also ich würde auf jeden Fall sagen, also Jerry ist halt wirklich eine erbärmliche Figur, aber Jerry sehe ich fast schon so aus, so und wie viele Figuren in diesem Film. Es gibt ein paar... Also Jerry hat ganz viel Realistisches und Authentisches, aber er ist überzeichnet. Ja,
Johannes Franke: ja, ja.
Florian Bayer: Und ich sehe ganz viele Figuren in diesem Film aus dieser überzeichneten Perspektive, dass die auch irgendwie, wenn du sagst, du siehst es als Kapitalismuskritik, ich würde gar nicht so weit gehen, aber ich würde sagen, er ist auf jeden Fall Platzhalter für spezifische menschliche Seiten. Und das ist bei anderen Figuren auch so. Und es gibt vielleicht eine Ausnahme, kommen wir bestimmt gleich noch dazu. Ja. Aber deswegen würde ich ihn nicht diagnostizieren wollen, weil er einfach zu sehr Archetyp ist.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Oder postmoderner Archetyp von einer spezifischen erbärmlichen Figur. Und das sind meiner Meinung nach auch Gia und Karl, die ja dann ja in Fargo driften. Die beiden, unsere beiden Kriminellen.
Johannes Franke: Das stimmt ja. Lassen Sie mal weitergehen an die beiden.
Florian Bayer: Und wenn wir irgendwo die Psychopathie-Diagnose stellen können, dann ja ganz eindeutig bei Gia. Ja,
Johannes Franke: definitiv. Und der ist auch so, der macht, das ist einer der Psychopathen, die wirklich gar keinen Hehl draus machen. Die sich auch nicht versuchen... irgendwie zu verstellen in irgendeiner Form, sondern einfach sagen, ich sitze hier jetzt und ich suche, ich warte jetzt einfach, bis meine Gelegenheit ist, diesen Typen da einmal auszuschalten, damit ich nicht mehr ertragen muss, was er so erzählt.
Florian Bayer: Gia ist so eine gruselige Figur. Und die Cones haben ein Händchen dafür, solche Figuren zu schreiben. In No Country for Old Men haben sie mit dem Killer, der von Javier Bardem gespielt wurde, der auch dieser eiskalte Killer war, haben sie auch so eine Figur geschrieben. Menschen, die durch ihre pure Präsenz unheimlich sind. Du willst mit diesem Mann nicht länger als zwei Minuten allein sein. Nein,
Johannes Franke: auf gar keinen Fall. Aber man muss auch sagen, dass Carl Steve Buscemi wahnsinnig dämlich ist. Das nicht zu sehen und nicht im richtigen Moment die Fresse zu halten. Also sein Tod ist genau das. Er hat nicht im richtigen Moment gesagt, ich hab... Ich hab meine Millionen.
Florian Bayer: Warum kämpft der um dieses Auto?
Johannes Franke: Dieses scheiß Auto. Niemand braucht dieses scheiß Auto, wenn er das Geld haben kann.
Florian Bayer: Aber Karl ist halt auch voll der Ego-Mane. Der ist verliebt, der hält sich für den geilsten Gangster. Und der tritt mit einem entsprechenden Selbstbewusstsein auf. Und du hast es ein paar Mal gesagt, die sind alle dumm. Und wahrscheinlich ist sogar Gier, Peter Stromare, Peter Stromare, der ist kein, er redet auch irgendwann mal Schwedisch. Er ist Schwede.
Johannes Franke: Stimmt, ja.
Florian Bayer: Peter Stromare, ich sag's mal so, wie wahrscheinlich ausgesprochen wird, ist vielleicht der cleverste von denen allen.
Johannes Franke: Vielleicht, wir wissen es nur nicht.
Florian Bayer: Er erzählt halt nicht viel. Aber Karl ist ja auch so saubescheuert. Ja. Allein schon, wie sie überhaupt in diese Scheiße geraten, dass sie von der Polizei angehalten werden. Das hätte sich alles umgehen lassen, wenn Karl ein bisschen cleverer wäre.
Johannes Franke: Ja. Es ist so krass, weil hier, ich finde es immer schwierig. einen Film darauf aufzubauen, dass die Figuren, die Hauptfiguren doof sind. Ja. Das finde ich immer ein Problem. In diesem Film nicht. Irgendwie schafft es der Film, trotz Stereotyper von doofen Gangstern und von idiotischen Plänen, mir trotzdem mehr zu zeigen, auch mehr Dreidimensionalität zu erreichen.
Florian Bayer: Wir ticken da ja echt unterschiedlich. Du hast es gerne, wenn du so eine Relatable-Figur hast. Ja, schon. Und das würde ja eigentlich dafür sprechen, dass dir Fargo unglaublich schwerfällt, weil es dauert eine halbe Stunde, bis dir die erste irgendwie nachvollziehbare Figur, die wir mögen können, eingeführt wird.
Johannes Franke: Aber es ist auch wirklich, muss ich sagen, die erste halbe Stunde ist ein schwieriges Ding.
Florian Bayer: Es ist null Relatable. Es sind alles unangenehme, unsympathische Figuren, die sich dazu noch relativ ziemlich dumm verhalten. Ja. Und auch einfach echt... unsympathisch verhalten, weil die kacken sich gegenseitig an. Also Karl ist irgendwie witzig, das fand ich fucking geil. Ja, natürlich. Aber wenn er den Mund aufmacht und anfängt zu quatschen, denkst du oh mein Gott, dieser Möchtegern-Gangster, wo man trotzdem merkt, okay, der ist auch ziemlich gnadenlos, der kann ziemlich gnadenlos sein, der auch einfach nur ein Arsch ist. Ja, es ist ein Haufen unsympathischer, unangenehmer Figuren.
Johannes Franke: Karl wurde übrigens extra für Steve Buscemi geschrieben.
Florian Bayer: Und er spielt das super gut. So geil. Also um vielleicht genau, und dann nochmal zu sagen, Jerry... Der von William H. Macy geschrieben wird, der hat auch eine Oscar-Nominierung dafür gekriegt. William H. Macy spielt das unglaublich gut. Diese Schwäche und diese Zagnierstalt, diese Verlorenheit im eigenen Lügennetz.
Johannes Franke: Und ich finde es spannend, dass er so wahnsinnig, also der Schauspieler, so wahnsinnig versessen war, darauf diese Rolle zu spielen. Diese Rolle, ausgerechnet diese Rolle, auf diese Art und Weise, das muss er ja schon vorher, hat er das so hart im Kopf gehabt. Er hat gesagt, das ist meine...
Florian Bayer: William H. Macy hat die Cones ganz schön genervt.
Johannes Franke: Ja, der ist nach New York geflogen, nachdem er eigentlich schon, ich glaube in L.A. sein Casting hatte. Und ist dann nochmal in New York geflogen, weil er gehört hat, dass die weiter casten für die Rolle. Ist da reinmarschiert und hat gesagt, Leute, ich mache mir große Sorgen, dass ihr das alles vermasselt, wenn ihr mich nicht nehmt. Ich erschieße eure Hunde, wenn ihr mich nicht nehmt. Das hat er im Scherz gesagt, aber das ist ein seltsamer Scherz für sowas. Ja, das ist wirklich ein bisschen hart.
Florian Bayer: Und es war schon, die Cones waren damals schon ein großer Name, ne? Also ein großer Name in Indie-Kreisen. Und William H. Macy wollte mit ihnen drehen, weil er gewusst hat, von deren vorherigen Projekten, die machen extrem gute Sachen. Und er hatte auch gesagt im Interview, diese Art zu reden von seiner Figur, die ist ja wirklich sehr speziell mit sehr vielen Stottern und dieses ganze Zeit dieses Lügen. Das war im Skript.
Johannes Franke: Das war alles im Skript.
Florian Bayer: Ist das nicht improvisiert? Ja. Das haben ihm die beiden auf... Das haben ihm die beiden hingelegt und er musste das dann einfach umsetzen.
Johannes Franke: Er hatte sogar mal, ich weiß nicht mehr, welches Wort das war, aber es war ein Wort, wo er gedacht hat, da ist ein Typo drin. Ja. Hat das richtig ausgesprochen. Dann haben die Coens gesagt, in unseren Drehbüchern sind keine Typos. Das wird so ausgesprochen, wie wir das geschrieben haben, nämlich falsch.
Florian Bayer: Das ist total geil und ich glaube, das ist unglaublich, also es ist sowieso schon schwer, gute Dialoge zu schreiben, aber es ist unglaublich schwer. diese Manierismen, diese Tics und sowas so zu setzen, dass sie glaubwürdig sind.
Johannes Franke: Und das im Schriftbild.
Florian Bayer: Und funktionieren dann in der Umsetzung. Und das können die Cones anscheinend. Weil dieses Gestotter von ihm, das wirkt zu jeder Zeit authentisch und gibt der Figur einfach nochmal so viel Tiefe.
Johannes Franke: Ja, alles das. Und es ist krass natürlich dann auch für die anderen Figuren, man muss schon sagen, dass Mike und dass Margie, dass die alle sehr davon profitieren, wie gut die schreiben können. Die Dialoge schreiben können und auch die Manierismen schreiben können. Ja. Da steckt auch diesen Figuren drin.
Florian Bayer: Kommen wir zu Marci. Nach einer halben Stunde, wir werden erlöst, nachdem wir diesen ganzen unsympathischen Figuren und diesem schrecklichen Plot gefolgt sind.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Wenn endlich unsere eigentliche Protagonistin 30 Minuten...
Johannes Franke: Wahnsinn.
Florian Bayer: Ich kann nicht mehr in Erinnerung, dass ich auch nicht... So lange dauert, bis man sie sieht.
Johannes Franke: Weil sie so sehr den Film dominiert danach, denkt man die ganze Zeit, ja, sie ist halt die ganze Zeit da. Aber nein, halbe Stunde Film ohne sie, ich musste ganz schön... durchhalten.
Florian Bayer: Frances McDormand, im Gegensatz zu William H. Macy, keine Unbekannte im Coens-Kosmos. Gibt es einen Film, in dem sie nicht mitspielt von den Coens?
Johannes Franke: Sie glauben nicht. Aber sie ist auch mit einem von denen zusammen.
Florian Bayer: Seit 1984, seit ihrem Debütfilm, wo sie auch tatsächlich mitgespielt hat, war es simpel, sind die beiden verheiratet.
Johannes Franke: Und sie macht das großartig.
Florian Bayer: Alter. Frances McDormand, unsere Oscar-Gewinnerin aus diesem Film, spielt eine seit sieben Monaten schwangere Polizistin, Margie, die ein herzensguter Mensch ist.
Johannes Franke: Ja, total. Und ich liebe sie so dafür, dass sie auch mit absoluter Professionalität da hinkommt und wirklich massiv unbeeindruckt sagt, ah ja, okay, das ist jetzt eine Wunde, die er sich in der Verteidigung zugezogen hat. Oh, ich muss mal ganz kurz, ich lege mich mal ganz kurz. Mir ist noch schlecht, weil ich schwanger bin. Und ansonsten wird sie nie wieder in diesem Film erwähnen, dass sie schwanger ist. Es ist so geil.
Florian Bayer: Ich hasse die Selbstgefälligkeit von Sherlock Holmes, Miss Marple, Poirot. Also ich mag die Figur mal mehr, mal weniger. Aber ich hasse in jedem Punkt ihre Selbstgefälligkeit. Und das Geile an Margie ist, sie ist genauso ein Geist wie Sherlock Holmes. Sie geht da ran und sagt, ah, und da ist das passiert und da ist das passiert. Und guckt ihr mal die Spuren an. Ah, das waren zwei Personen. Da jemand anderes hat die Leiche weggezogen. Aber sie macht das nicht mit dieser Selbstgefälligkeit, sondern mit so einer absoluten Natürlichkeit des Ermittlers. Sie muss jetzt herausfinden, was da passiert ist. Sie hat diesen... absoluten Depp daneben stehen, der nichts kann außer Kaffee bringen.
Johannes Franke: Und das Maximum, was sie sagt, ist nicht etwa, Alter, du hast keine Ahnung, sondern sie sagt, I have to disagree there. Das ist so geil.
Florian Bayer: Das ist sowas Blödes, ne? Er hat wirklich so eine ganz, so eine Trivialität. Er hat einfach mit Buchstaben gesagt, nein, nein, nein, im Moment. Und sie ist so geil, nüchtern hast du gesagt, nüchtern ist das passende Wort. Sie macht einfach ihren scheiß Job und sie merkt gar nicht, was für eine Genialität sie besitzt.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Wie clever sie da drin ist.
Johannes Franke: Sie weiß das nicht. Und das ist schön, Sherlock Holmes weiß, wie clever er ist.
Florian Bayer: Die wissen immer, wie clever sie sind. Und sie weiß es nicht, weil es einfach ihr scheiß Job ist. Sie lässt es halt machen. Ach,
Johannes Franke: ist das schön. Ich find's ganz toll. Dann kommt das natürlich in der Kombination mit Minnesota Nice noch zusammen. Ja. Aber darüber werden wir reden.
Florian Bayer: Auf jeden Fall.
Johannes Franke: Was ich noch toll finde, ist, dass sie diesen Columbo-Effekt hat.
Florian Bayer: Aber auch nicht die Selbstgefälligkeit.
Johannes Franke: Aber nicht die Selbstgefälligkeit, sondern so dieses nette Nachfragen. Ach, das habe ich noch nicht ganz verstanden. Kannst du das nochmal erzählen? Kannst du das nochmal genau? Und alle, die sie interviewt, irgendwie reinzieht dadurch. Ja. Dieses nette, dieses, ach übrigens noch das und wie ist das jetzt noch ganz genau, habe ich noch nicht so ganz verstanden. Und da sich so zurücknimmt und dem anderen Typen eben dadurch Raum gibt, auch über das hinauszuwachsen, was er eigentlich zeigen wollte von sich. Ja. Also das ist so der Columbo-Effekt, den ich so sehe bei ihr.
Florian Bayer: Sie hat gesagt, äh, Frances McDormand hat gesagt, ich wäre an meiner Schwester orientiert. Dorothy.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Die offensichtlich für einen Priester arbeitet.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Und ich kann es mir ungefähr vorstellen, wie sie diese Nettigkeit da rausnimmt. Ich finde es so geil, diesen Kontrast zwischen ihrer Nettigkeit und... ihrem Verstand. Und die sagen, cleverness. Und die haben ja offensichtlich für den Film Charakterporträts geschrieben, um sich in die Rollen reinfühlen zu können.
Johannes Franke: Auch mit ihrem Mann zusammen.
Florian Bayer: Sie hat die Mann Mike, ihr Charakterporträt war, sie hat Mike kennengelernt, tatsächlich bei der Polizeiarbeit. Der war auch ein Polizist.
Johannes Franke: Nicht Mike, oder?
Florian Bayer: Norm. Norm, der war auch ein Polizist. Sie hat ihn bei der Polizeiarbeit kennengelernt. Und er ist jetzt der, der in Elternzeit geht, weil sie einfach viel besser in den Job ist als er.
Johannes Franke: Und sie haben das beide... beschlossen, ganz einhellig, ohne Probleme, haben einfach gesagt, ja, dann bleibst du halt zu Hause. Und seitdem bleibt er zu Hause und malt irgendwas für irgendwelche
Florian Bayer: Briefmarken. Nein, nein, nein, das redest du nicht schlecht. Das Happy End dieses Films ist, dass seine fucking Zeichnung 3 Cent Briefmarken wird.
Johannes Franke: Absolut in Ordnung. Alles in Ordnung. Gut. Nicht negativ konnotiert. Alles in Ordnung.
Florian Bayer: Das Geile ist natürlich dieser Kontrast, den Margie und Norm nicht nur in ihrer Beziehung, sondern auch ganz allgemein in ihrem Alltag, in ihrem Leben bilden, zu diesen abgefuckten, düsteren Menschen. Weil wir haben mit Margie kommt diese Wärme in den Film, die so notwendig ist.
Johannes Franke: Ja, ja, wichtig, unglaublich wichtig ist.
Florian Bayer: Nachdem du nur 30 Minuten am Menschen verzweifelst und denkst, wirklich Menschen sind das Letzte, kommt Margie rein und du denkst, die Menschheit ist nicht komplett im Arsch.
Johannes Franke: Und das Geile ist, das, was Margie am meisten schockiert in diesem Film oder überhaupt das Einzige, was sie richtig schockiert, ist, dass Mike gelogen hat.
Florian Bayer: Diese Lüge, ja.
Johannes Franke: Das ist so krass, weil sie am Telefon dann erfährt von ihrer Freundin irgendwo, dass Mike psychische Probleme hat und gar nicht verheiratet war mit dieser Frau, was er gesagt hat. Und sie da richtig schockiert ist. Was? gelogen? Also sie kann es eigentlich nicht richtig fassen. Und alles andere, was vorher passiert ist, ist so ja okay, das ist passiert, gut, okay.
Florian Bayer: Diese Mike-Geschichte ist total schräg. Sie ist bei ihrer Ermittlungsarbeit und dann ruft ein alter Freund von ihr an, mit dem sie offensichtlich befreundet war in der Schule, vielleicht auch ein bisschen mehr und sagt, er würde sie gerne treffen und dann trifft sie sich mit ihm in einer Bar und dann haben wir dieses wirklich awkward Date. Also er sieht das Date an und sie will sich aber nur mit einem alten Freund treffen. Dann setzt er sich neben sie und sagt so, Kann ich mich neben dich setzen? Sie so, äh nein, mit einem Lächeln. Das wäre mir unangenehm, kannst du dich auf die andere Seite setzen?
Johannes Franke: Und dann, nachdem er sich so ein paar Mal entschuldigt, sagt sie noch so, nein, nein, nur wegen meinem Hals, da muss ich immer nach zur Seite gucken und so. Und das ist dieses Minnesota Nice, ne? Ich muss das immer alles ein bisschen verpacken in was Netteres.
Florian Bayer: Was ist Minnesota Nice?
Johannes Franke: Was ist Minnesota Nice? Das ist so ein tatsächlich aus der Gegend etwas, was man... einfach kennt, wo man einfach sagt, okay, die sind wahnsinnig nett, aber sehr oberflächlich in dieser Nettigkeit teilweise. Also es gibt dann halt zwei Seiten davon. Und du hast diese, das heißt, du sagst auch die schlimmsten Sachen mit einem Lächeln. Das macht sie auch mit Shep, diesem Typen, der da arbeitet, der diese beiden Gangster angeschleppt hat. Sie steht vor ihm und gibt ihnen immer wieder die Möglichkeit, ja, ich habe also folgende Ermittlungsergebnisse und haut nochmal eins raus und nochmal eins raus. Willst du wirklich bei deiner Geschichte bleiben? Und aber mit einer Nettigkeit. Ja. auch droht tatsächlich.
Florian Bayer: Es ist ja so ein bisschen auch das, was man den Kanadiern nachsagt und es liegt ja an Kanada. Man sagt, die können nicht böse sein und deswegen haben sie aber manchmal so diese passiv-aggressive Art. Du sagst etwas mit einem Lächeln und es ist ganz klar, was du willst und worauf du hinaus willst und da gibt es eine Drohgebärde drin, aber du schaffst es nicht diesen weiteren Schritt zu machen, um wirklich zu drohen, sondern du bleibst einfach dieser nette Mensch. Und es ist natürlich ganz spannend, wie viel von Margie ist Minnesota nice? Also ist dieses, sie droht eigentlich und sie hat deutlich mehr Blick. Und wie viel ist echte Naivität? Das verschwimmt so ein bisschen. Das ist nicht so ganz klar, wo sie wirklich naiv ist. Zum Beispiel, dass sie sich nicht vorstellen kann, dass sie jemand anlügt.
Johannes Franke: Oder dass sie sich nicht vorstellen kann, dass dieser Typ, der da gerade sagt, ja, dann gehe ich jetzt die Autos zählen, eigentlich abhauen will. Das ist ja nicht in den Sinn gekommen.
Florian Bayer: Das ist doch geil, wie sie, oh mein Gott, er flieht, das Interview. Er flieht. Was ist los?
Johannes Franke: Wie kann das denn sein? Das ist so süß.
Florian Bayer: Das ist ganz spannend, weil so clever sie ist als Ermittlerin. Wenn wir davon ausgehen, dass das alles echt ist, dass das alles authentisch ist, dann ist sie ja wirklich auch sehr naiv ganz oft, weil sie nichts Böses erwartet bei den Menschen.
Johannes Franke: Ist eine total super Mischung. Und das wird auch unterstützt von dem, was sie am Ende sagt. Sie darf ja am Ende sagen, und das für so ein bisschen Geld?
Florian Bayer: Ja. Und das ist so ein schöner Tag heute. Don't you know that?
Johannes Franke: Und es ist so eine süße Rede am Ende von ihr.
Florian Bayer: Ist sie einfach auch wirklich so eine Verkörperung von radikaler Unschuld?
Johannes Franke: Ich glaube ja.
Florian Bayer: Ausgerechnet als ermittelnde Polizistin, die sowas vor sich hat.
Johannes Franke: Und die sowas einwandfrei und total genial aufschlüsselt und löst. Das finde ich eine total geile Kombi, muss ich sagen.
Florian Bayer: Aber das ist krass, weil sie ist dann ja, für Hörer ist sie ja offensichtlich nicht so geeignet. Nee,
Johannes Franke: wahrscheinlich nicht, nee.
Florian Bayer: Genau. Wie viel glaubt sie Jerry? Am Anfang glaubt sie ihm offensichtlich alles, was er erzählt.
Johannes Franke: Naja, beziehungsweise sie sammelt erstmal Sachen zusammen. Sie kommt nicht auf die Idee, jetzt wirklich da Bösartigkeit dahinter zu sehen oder so.
Florian Bayer: Vielleicht ist auch das, dass sie nicht verurteilend ist.
Johannes Franke: Ja, genau. Und dann muss sie erstmal, dann sammelt sie das alles und dann wird es halt, das Puzzle nach und nach zusammengesetzt. Und dann kommt halt raus, dass er das war. Na gut, okay. Aber er hat es erstmal nicht, hat es ihm nicht unterstellt.
Florian Bayer: Ich finde den Gedanken ganz schön, dass das, was wir als Naivität einordnen. dass es einfach dieses Don't be judgmental ist. Das haben wir ganz oft, dass sie sich mit Leuten unterhält, die ihr offensichtlich unterlegen sind. Also ihre ganzen Kollegen sind ja teilweise so ungeschickt, so schlecht. Aber sie wirkt nie verurteilend, sie wirkt nie von oben herab auf sie. Und dann haben wir ihren Mann, für den es wirklich wichtig ist, dass deine Zeichnung eines Vogels zu einer Bissmarke wird. Und sie ist da so supportive und so nett zu ihm.
Johannes Franke: Und erklärt ihm das nochmal, dass ja auch wichtige Stumps sind. Die Leute brauchen diese 2-Cent-Marken. 3 Cent. 3 Cent.
Florian Bayer: Rede nicht seine Briefmarken schlecht.
Johannes Franke: Damit. Das ist so süß, wie wichtig für dich das jetzt ist.
Florian Bayer: Das ist voll wichtig, weil ich könnte in dieser Beziehung von Marge mit ihrem Mann, könnte ich baden.
Johannes Franke: Die ist total süß.
Florian Bayer: Die beiden sind so süß miteinander. Ja,
Johannes Franke: wie er aufsteht und sagt, ich mach dir noch ein Ei, obwohl er noch schlaftrunken ist und eigentlich weiter schlafen könnte. Nein, nein, ich mach dir ein Ei, kein Problem.
Florian Bayer: Es gibt keine Szene, wo die beiden bei was anderem gezeigt werden, als essen oder im Bett liegen zusammen.
Johannes Franke: Ja, genau.
Florian Bayer: Das ist so geil.
Johannes Franke: Oh,
Florian Bayer: ich liebe es. Und tatsächlich, also ich meine, sie rafft sich, sie geht arbeiten. Sie ist im siebten Monat und geht arbeiten. Ja. Aber Schwangerschaft ist das tatsächlich sehr viel. Man liegt zusammen im Bett, man futtert zusammen, man guckt sich zusammen irgendeinen Scheiß an. Ja. Und es ist so warmherzig und so gemütlich, dieses... Also ich meine, das ist auch alles so sehr spießig und klein und bürgerlich, aber es ist so schön. Sie sind so glücklich. Und es ist halt wirklich als Kontrast so wichtig zu dieser düsteren Welt da draußen.
Johannes Franke: Ja, und ich finde, dass der in der Darstellung nicht so wahnsinnig weit weg ist, rein in der Szenenauswahl von der Beziehung, die Jerry hat. Und dann ist die aber so viel kälter und so viel anders, obwohl wir dieses ländliche... leicht die Lücken zwischen den... Um es mal poetisch auszudrücken, die Lücken zwischen den Buchstaben sind so weit. Ja. Weißt du, du hast so viel Zeit. Ihr müsst euch vorstellen,
Florian Bayer: wie Johannes die Arme so weit ausbreitet, wie er kann.
Johannes Franke: Und das, weißt du, in Minnesota ist es einfach, du brauchst Stunden, um mal jemandem zu begegnen, wenn du einfach nur draußen unterwegs bist. Und so zerren sich die Beziehungen auch. Das Gefühl. Zwischen zwei Menschen irgendwie. Und auf die kalte Art und Weise ist es vielleicht bei Jerry und mit seinem Schwiegervater, der das Ganze nur unterstützt und aufs Geschäftliche zieht. Und auf der anderen Seite eben einfach Margie und
Florian Bayer: Norm. Es ist vor allem wirklich ein atmosphärisches Ding, weil Margie und Norm reden auch nicht viel miteinander.
Johannes Franke: Genau das ist es.
Florian Bayer: Die haben auch und er macht... Frühstück und dann sitzen sie da stumpf vor sich gegenüber und einer sagt vielleicht mal einen Satz und der andere reagiert mit einem Schnauben drauf.
Johannes Franke: Und es könnte trostlos sein.
Florian Bayer: Aber es ist nicht trostlos. Es ist so warm. Warum ist es nicht trostlos? Warum wirken die so glücklich darin auch? Und es ist gar nicht mein Beziehungsideal, was die da haben. Es hat auch was zu... Ich sehe total, dass man das trostlos lesen könnte, weil ich denke, wenn ich mir vorstelle, dann so stumpf voreinander zu sitzen und sich dann noch abends... den Film anmachen und vom Fernseher schläft der eine ein, während der andere noch gucken. Das kann man alles trostlos interpretieren. Und das ist jetzt auch nicht ein Ideal, aber warum funktioniert das da so gut? Warum denken wir, ach, das ist schön?
Johannes Franke: Zum einen ist es der Kontrast natürlich mit dem Rest des Films und zum anderen glaube ich, weil sie genug liebevolle Nettigkeiten miteinander austauschen und auch sich zusammen kuscheln und nicht judgmental miteinander sind. Das hängt ganz viel natürlich an Margie, weil das ja im Rest des Films auch eben nicht ist, nicht judgmental ist. Und in der Beziehung selbst, man kann sich das vorstellen, dass der Film auch eine andere Richtung genommen hätte, als es darum ging, Mike zu treffen. Weil Mike, kurz bevor sie reingeht in diese Bar, um ihn zu treffen, ist ihr schon wichtig, wie sie aussieht, was für einen Eindruck sie macht und so. Es könnte ein Date sein. Es wird dann keins? Ja. Und ich glaube auch nicht, dass sie das als Absicht einer Art betrügerischen Absicht ihrer Beziehung gegenüber sieht. Dass das nicht die Absicht ist. Sie will Bestätigung in dem Moment einmal auch. Sie will sich das abholen. Sie weiß schon vom Telefonat, dass der Typ beeindruckt ist von ihr. Und dann denkt sie sich, das brauche ich jetzt vielleicht auch mal. Das hole ich mir jetzt ab. Das ist doch nett.
Florian Bayer: Sie macht es vielleicht auch so ein bisschen unbewusst. Ja, vielleicht. Und dieser Gedanke ist sehr tief drin. Und ohne, dass sie ihn klar ausformulieren könnte. Ich... habe mich an diesen Mike-Plot überhaupt nicht mehr erinnert. Ich habe noch sehr vieles von dem Film präsentiert und wusste noch, in welche Richtung es geht, was passieren wird und so. Dieser Mike-Plot, an den hatte ich überhaupt keine Erinnerung mehr, weil der ist auch fast so ein Fremdkörper.
Johannes Franke: Und der wird ja auch ganz, ganz oft als eine der unnötigsten Szenen der Filmgeschichte bezeichnet. Aber ich finde es überhaupt nicht unnötig. Ich finde es wahnsinnig toll. Ich fand es wahnsinnig gut, weil wir eine menschliche Seite von Margie feststellen und sehen wie sie damit umgeht. Und auch ihr Bedürfnis, was ich gerade gesagt habe, ihr Bedürfnis nach ein bisschen Fame, das bisschen Fame, was sie jetzt gerade über das Radio bekommen hat, das auch zu nutzen und auch ein bisschen Seelen streicheln zu haben, ohne das auszuschlachten, ohne zu viel damit zu machen, aber das wenigstens einmal zu genießen. Was sie in ihrer Beziehung so in der Form ja nicht bekommen kann, weil das einfach eine Beziehung, die so viele Jahre dauert und die auch mit einem Kind zu tun hat und so weiter, die kann sowas nicht leisten.
Florian Bayer: Also ich kann es schon nachvollziehen, dass sie so ein bisschen als überflüssig gesehen wird. Mike ist halt auch so ein bisschen ein Tool.
Johannes Franke: Ja, ja, ja.
Florian Bayer: Weil er scheint ja offensichtlich so ein bisschen auszulösen, die Gedanken, oh Moment, wenn der lügt, dann könnte der andere auch lügen. Ich finde es ist so, es ist gerade so merkwürdig, weil es zu relativ wenig führt. Man hat nie das Gefühl, dass Margie jetzt Norm betrügen würde oder dass Margie sich hier was abholen muss, was ihr fehlt oder so. Vielleicht ein bisschen, aber auch schon.
Johannes Franke: Ich finde es interessant.
Florian Bayer: Aber dann gucken wir uns Mike an und Mike ist jetzt wirklich nicht der Typ, bei dem man sich irgendwas holt, was man irgendwo vermisst.
Johannes Franke: Aber das wusste sie vorher ja auch nicht.
Florian Bayer: Mike ist Cherry. Mike ist Cherry 2.
Johannes Franke: Oh Gott, ja.
Florian Bayer: Und wir erfahren relativ wenig über Mike, aber wie wir später in einem Telefonat erfahren, erzählt er hier kompletten Bogus, indem er erzählt, dass er mit einer Frau verheiratet war, also die sie kennt aus der Schulzeit und dass die krank war. geworden wäre und so gestorben ist und das ist so Was ist Mike für eine Figur? Der hat halt keinen Charakter, der ist so komisch, weil er so wirklich so eine Wiederholung des Barry-Stereotypes ist.
Johannes Franke: Vielleicht, ja. Aber ich finde es trotzdem, ich finde, dass der Schauspieler das sehr, sehr gut macht. Der hat so eine ganz eigene Figur da entwickelt und der ist auch tatsächlich, ich habe ein kleines Interview mit ihm gesehen, der war sehr glücklich damit, dass er das machen durfte, weil es ihm seine Karriere ein bisschen geschoben hat.
Florian Bayer: Jetzt stelle ich mir ein Interview vor, wie er genau so redet.
Johannes Franke: Wie Mike.
Florian Bayer: Weil dieser Mike ist die ganze Zeit, der wirkt die ganze Zeit so euphorisch. Ja, ja, ja. Dabei aber unglaublich lamoyant.
Johannes Franke: Und ganz total verzweifelt die ganze Zeit.
Florian Bayer: Oh, diese Euphorie, wenn er die ganze Zeit sagt, dass alles gut ist und jetzt, nein, nein, besser. Es ist, oh, schrecklich. Ja. Oh, was für eine schlimme Figur. Ich glaube, vielleicht ist auch das, die Szene wird als überflüssig betrachtet, weil die Szene echt awkward ist. Und dieser Film ist voll mit awkward Szenen. Ja,
Johannes Franke: ja.
Florian Bayer: Weil die wäre, die... Auf die könnte man verzichten.
Johannes Franke: Weiß ich nicht.
Florian Bayer: Auf diese Rockbottness.
Johannes Franke: Ich finde es super. Ich freue mich sehr über diese Szene, weil ich auch Menschlichkeit von ihr noch...
Florian Bayer: Ja, aber man windet sich schon so oft, wenn man Jerry sieht. Jedes Mal, wenn Jerry sich mit irgendjemandem unterhält, denkt man, oh, hör auf, es muss aufhören.
Johannes Franke: Vielleicht ist es auch der Moment, wo man das Gefühl hat, dass dieses Minnesota Nice ein bisschen zu sehr ausgeschlachtet wird, weil er wirklich sehr lächeln, lächeln, lächeln, lächeln und alles durch Lächeln durch wegdrücken und... Und er weint ja dann am Ende auch, weil das Lächeln nicht ausreicht.
Florian Bayer: Oh Gott, das ist so schrecklich. Ja, vielleicht. Aber wenn ich an Minnesota Nice denke, und ich kenne es, es ist ja auch ein Klischee, es ist ein voller Stereotyp, dann sehe ich das vor allem in Matsch. Zum Beispiel das, was Jerry hat, würde ich nicht sagen, dass das Minnesota Nice ist, sondern das ist irgendwas anderes. Das ist zu schmierig, zu verlogen, zu angrabend. Das Minnesota Nice ist vom Gefühl her, würde ich sagen, zurückhaltender, das halt was Matsch macht. Während das andere aufdringlich ist, genau. Sherry und Mike sind zu aufdringlich, um Minnesota Nice zu sein.
Johannes Franke: Naja, also das eine ist die Ebene von Minnesota Nice und das andere ist eine charakterliche Ebene. Wie bist du vom Charakter her? Das ist ja nochmal eine andere Nummer. Das kommt ja dann zusammen.
Florian Bayer: Aber so von der Wirkung auch, dass sie auch so übergriffig sind. Ich finde Mike ist so krass übergriffig mit seiner lamoyanten Art. Oder mit seiner euphorisch lamoyanten Art. Oder wie auch immer. Und Sherry ist so übergriffig mit seiner Verkäuferart. Ah, allein wie er mit seinem... Schwiegervater redet, um ihm dieses Geschäft zu fragen, um ihm das Geld abzulocken. Das ist so schrecklich. Und das ist nicht Minnesota Nice. Das ist schmierig. Das ist Autohändler-Style. Entschuldigung an alle Autohändler, die hier zuhören.
Johannes Franke: Sorry.
Florian Bayer: Ich rede nur von Klischees. Es gibt bestimmt ganz nette Autohändler.
Johannes Franke: Du hast nur noch nie jemanden getroffen.
Florian Bayer: Ich denke auch gerade über meinen Satz nach. Wahrscheinlich gibt es keine netten Autohändler.
Johannes Franke: Schreibt uns gerne böse Mails Oh Gott
Florian Bayer: Und dann genau Also wir haben ja direkt danach diese Szene mit Jerry Wo Marge sich mit Jerry unterhält Und dann verhält sich Jerry ja auch so sass Also er ist dann so feindselig und laut Und sagt, oh sie nerven mich Das noch bevor er Abhaut Und so, oh was soll das jetzt Und jetzt, ich hab doch nichts getan Und es ist so verdächtig das Ganze Aber Marge Gibt sich trotzdem zufrieden und geht dann.
Johannes Franke: Weil er vor allem die ganze Zeit sagt, und ich finde es so genial geschrieben, I'm cooperating here. Und man denkt sich, aber wozu denn? Also ich meine, wenn du jetzt verdächtig wärst, dann müsste man sagen, bitte kooperieren Sie, damit Sie möglichst wenig Strafe bekommen. Und das ist der Satz, der ihm einfällt. I'm cooperating here.
Florian Bayer: Er macht sich damit selbst so verdächtig, aber sie geht da gar nicht drauf ein. Sie sagt, okay, danke und ich mache mal weiter. Ja.
Johannes Franke: Man weiß halt nicht, man kann nicht genau in ihren Kopf reinschauen. Vielleicht hat sie hier den Verdacht und weiß eigentlich, okay, ich mache jetzt mal an der anderen Baustelle weiter, damit ich ihn dann auch wirklich festsetzen kann. Aber das wissen wir nicht und wir können nicht reingucken in ihren Kopf.
Florian Bayer: Ja, das ist auf jeden Fall, also ich finde sie toll als Kontrast zu diesen anderen, weil wir haben sonst, also sie und ihre Dummbatzbande, sagen wir jetzt mal, ihre anderen Polizisten und Norm, sind alle total sympathische Figuren.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Ihre Polizisten, die sie da hat, sind halt alle ein bisschen zu... zu inkompetent, um relatable zu sein, aber sie und Norm bilden wirklich so ein warmes Zentrum und ich find's schön und ich find's okay, dass drumherum wirklich verrückte Figuren laufen, die so archetypisch sind, weil man kann sich immer wieder an ihnen festhalten und ich find, sie wirken auch tatsächlich authentisch in diesem bequemen, einfachen Dorflöten.
Johannes Franke: Mein Gott, was ist das für eine Musik?
Florian Bayer: Was war das? Wo sind wir? Ich glaub, wir wurden rausgerissen,
Johannes Franke: aber wohin?
Florian Bayer: Oh mein Gott, Johannes.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: Ich befürchte, wir befinden uns in einer Self-Oh nein! Shit! Ganz schnell, ganz schnell, damit wir zurück zum Gespräch können. Was müssen wir machen? Was müssen wir sagen?
Johannes Franke: Wir müssen den Leuten unbedingt sagen, dass sie uns abonnieren sollen, wo auch immer sie sind. Also auf Spotify oder Apple oder sowas.
Florian Bayer: Beam, whatever, was ihr auch nutzt.
Johannes Franke: Also abonnieren und anderen sagen, dass sie uns abonnieren sollen.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wenn euch die Folge gefällt, gebt uns gerne Sterne, Herzchen, Daumen hoch, was auch immer euer Podcatcher anbietet.
Johannes Franke: Genau, und wenn sie euch nicht gefällt, dann schickt diese Episode weiter an eure Feinde oder eure Nachbarn oder sowas.
Florian Bayer: Und wenn ihr uns Feedback geben wollt, wir freuen uns total über jeden Kommentar an johannes.mussmannsehen.de oder florian.mussmannsehen.de.
Johannes Franke: Genau, schickt uns Filmvorschläge und so weiter. Boah,
Florian Bayer: das soll schnell durchkommen. Ja, jetzt schnell raus,
Johannes Franke: schnell wieder zurück ins Gespräch. Ich finde es interessant, dass die Coens so sehr, vielleicht nicht nur in diesem Film, sehr straightforward Moral haben.
Florian Bayer: Ja,
Johannes Franke: voll. Es ist so krass, weil Margie die absolut gute Figur, die beste Figur des Films, moralisch high ground bis ins Letzte. Und sie ist auch diejenige, der alles Beste in dem Film passiert, während die Bösewichte natürlich sterben müssen. bestraft werden und auch eben das Schlimmste passiert, was man sich vorstellen kann.
Florian Bayer: Cones haben echt so ein Fable dafür, diese extrem, also zu meinen moralische Storytelling zu machen und dann diese moralisch überhöhten Figuren zu haben, die sehen wir auch öfter, auch in anderen Filmen. Wir haben zum Beispiel in Raising Arizona haben wir diesen
Johannes Franke: Chef gesprochen.
Florian Bayer: Der ganz am Schluss kommt und der plötzlich, also den man die ganze Zeit nur so im Fernsehen sieht, als Geschäftsmann, der auch seine Sachen verkauft. War der ein Teppichhändler? Nee, ein Betthändler, glaube ich. Oder Möbelhändler.
Johannes Franke: Ich erinnere mich gar nicht mehr.
Florian Bayer: Und dann haben wir am Schluss sein Gespräch mit den beiden, die sein Kind entführt haben. Ja. Und wo er ihnen sagt, nein, versucht nochmal euer Leben in den Griff zu kriegen und es ist doch alles gut gegangen. Und wo der plötzlich auch so wie so ein Moralist.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Auch wie so ein Apostel.
Johannes Franke: Wie so ein Jesus. Ja.
Florian Bayer: Wie so ein Priester seine Moral sagt, aber ohne, dass er dabei unsympathisch wirkt. Und Marci macht das auch. Marci wirkt total natürlich, wenn sie sagt, es gibt mehr im Leben als Geld. Guck doch mal, wegen dem Geld habt ihr das alles gemacht. Ich verstehe es nicht. Und man könnte sagen, oh Gott, so ein moralischer Serben. Ja, es ist authentisch.
Johannes Franke: Das ist das Krasse daran. Weil in diesem Spannungsfeld habe ich mich beim Gucken schon durchaus bewegt. Weil mir schon beim Gucken durchaus aufgefallen ist, dass das sehr, sehr moralisch ist. Aber sie total... in ihrer Figur ruht und deswegen wird es total gerne nehmen.
Florian Bayer: Auch weil es ist halt kein, nicht von oben herab, es ist nicht dieser akademische Moralismus. Ich glaube Hollywood oder auch das amerikanische Indie-Kino, die haben es ganz gut drauf, diesen so einen sehr akademischen Impetus in ihre moralischen Botschaften zu packen. Dann hast du eine einfache Figur von der Straße, die aber plötzlich eine große moralische Rede hält und du hast das Gefühl, das passt nicht zusammen.
Johannes Franke: Das passt nicht in den Film, ja, ja, genau.
Florian Bayer: Aber bei Machis mit Wie Margie das sagt und mit ihrer Unschuld und dieses, ey, es gibt mehr als Geld. Einfach so eine ganz banale Lebensweisheit. Das wirkt halt glaubwürdig.
Johannes Franke: Ja, voll. Ich würde mich gar nicht trauen, das zu schreiben, wenn ich so ein Drehbuch schreiben würde. Aber es passt halt und es macht das gut.
Florian Bayer: Diese Gefahr des Kitsches, der ist bei den Cones ja immer auch voll da. Die Cones lieben ihre kitschigen Momente auch und dieser Film hat auch die kitschigen Momente, wenn sie dann im Bett liegen und sagen, ja, es sind nur noch zwei Monate und sich zusammen freuen. Das hat was Kitschiges. Aber es hat halt, und das haben die Cones ja noch viel stärker, dieses Düstere als Kontrast.
Johannes Franke: Oh Gott, das ist so düster. Diese Figuren sind so dumm, aber auch so schnell damit, einfach jemanden zu erschießen. Das ist natürlich, natürlich macht das am meisten Angst. Es ist natürlich genial, so eine Figur so darzustellen, dass du Unberechenbarkeit mit drin hast, die auch bedeutet, dass du die ganze Zeit on the edge bist beim Gucken und denkst, wann geht es wieder los und wer stirbt als nächstes. Aber es ist schon echt hart und düster, muss man schon sagen.
Florian Bayer: Das Krasse ist, das ist eine Stärke der Cones unter anderem, wenn so kaltblütig die Figuren sind, wenn sie abknallen, so in die Länge gezogen ist dann die Gewalt. Und auch wieder so authentisch, dass es halt nicht ein Schuss ist, der reicht, sondern dass da jemand auf dem Boden liegt, verblutet und dann nochmal Schüsse abfeuert. Dann wird jemand im Hals getroffen und schießt auch weiter. So sehen Schussduelle aus. Du bist verletzt, aber du bist nicht gleich tot und diese... Diese Greifbarkeit von Gewalt, auch diese ersten Morde, die sie machen, das ist so fies. Also es tut wirklich weh, wenn du merkst, wie da jemand durch den Schnee flieht und Angst hat um sein Leben. Man spürt das in dem Moment und dann eiskalt erschossen wird.
Johannes Franke: Es ist auch einfach dramaturgisch so gut aufgelöst, diese Szene. Überhaupt auf die Idee zu kommen, dass da noch zwei Leute vorbeifahren. Und diese Awkwardness des Verbrechens. Wie sieht das Ganze aus? Wir haben über Pulp Fiction geredet. Da ist es ein kleines bisschen mehr im Gespräch, diese Awkwardness der Verbrecher an sich. Diese Alltäglichkeit, dieses was passiert denn, wenn wir in anderen Filmen abblenden und nicht mehr sehen, wie die Verbrecher da sich Milchshake holen. Aber das haben wir hier ja auch quasi. Und ich finde tatsächlich, muss ich sagen, hier besser als in Pulp Fiction.
Florian Bayer: Mehrere liegen besser. Also allein... der Blick auf, also es ist vor allem auch ein Unterschied, wie mit Brutalität umgegangen. Sowohl Tarantino als auch die Cones sind sehr brutal, machen brutale Filme. Und auch Pargo hat wirklich brutale Momente. Aber die, und beide haben auch Brutalität, haben eine Beiläufigkeit von Brutalität. Aber bei den Cones tut es weh in der Beiläufigkeit. Bei Tarantino wird es romantisiert.
Johannes Franke: Ja, oder für Comedic Effect.
Florian Bayer: Genau, genau, genau. Auf jeden Fall. Und bei den Cones tut es weh, du leidest mit. Es ist nichts witzig daran, wenn Karl und Wade sich gegenüberstehen und sich gegenseitig erschießen. Es ist schmerzhaft. Und es ist nichts witzig daran, wenn Gia dem armen Paar, das sie auf der Straße gesehen hat, hinterherfährt.
Johannes Franke: Wir sehen,
Florian Bayer: dass die sich überschlagen haben. Wir wissen, die sind in einer aussichtslosen Situation. Du leidest mit. Während bei Tarantino, wenn John Travolta diesem Typen zufällig in den Kopf schießt, dann lachst du.
Johannes Franke: Es ist krass, ich habe aber auch muss ich sagen, andere Rezeptionen festgestellt, wenn ich jetzt mir Podcasts angehört habe zum Thema und so. Es gibt schon immer wieder Leute, wo ich denke, ihr lacht ein bisschen zu laut über bestimmte Sachen. Irgendwie ist dann die Gewalt dann doch wieder so ein Schauwert auf eine Art und Weise, die ich nicht geil finde.
Florian Bayer: Aber siehst du das in dem Film?
Johannes Franke: Das sehe ich nicht in dem Film. Es gibt Leute,
Florian Bayer: die über so viel was lachen, was brutal ist.
Johannes Franke: Ich will bloß sagen, dass mir das manchmal unangenehm ist. Bei Leuten.
Florian Bayer: Der Film hat Humor, der hat ja wirklich schwarzen Humor und bösen Humor, aber die Gewalt, finde ich, wird nie für Comic-Effekts benutzt.
Johannes Franke: Weißt du, was schlimm ist? Wir haben keinen Tee getrunken bisher.
Florian Bayer: Oh mein Gott. Oh nein.
Johannes Franke: Wir sind fast eine Stunde und wir haben noch keinen Tee getrunken.
Florian Bayer: Oh Gott, wir brauchen Tee.
Johannes Franke: Möchtest du Tee?
Florian Bayer: Ja, bitte, bitte.
Johannes Franke: Ja, ne. Geh mal in die Tasse her.
Florian Bayer: Es sind wirklich düstere Sachen witzig. Und es ist auch witzig, wenn zum Beispiel eine Leiche in diesen Holzschredder gedrückt wird und so komisch der Fuß rausguckt. Aber die Gewalt selbst, also der Moment, wo ein Mensch verletzt oder getötet wird, der wird nie ausgeschlachtet für Humor.
Johannes Franke: Ja, genau. Wobei das natürlich wirklich hat sehr viele schwarzhumorige Momente, wo man wirklich lacht und man zwischendurch denkt, Worüber lache ich gerade? Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Also es ist schon so.
Florian Bayer: Möchtest du Zucker?
Johannes Franke: Ja gerne, danke. Die Awkwardness von Gewalt finde ich halt einfach hier tatsächlich im Gegensatz zu Pulp Fiction wirklich richtig, richtig gut. Nein, Pulp Fiction nicht im Gegensatz zu Pulp Fiction, das stimmt nicht. Aber es ist halt besser als in Pulp Fiction.
Florian Bayer: Es ist einfach vor allem anders. Aber ich würde auch jederzeit diesen Film Pulp Fiction vorziehen. Und wenn mir jemand sagt, liste deine... liebsten Filme der 90er Jahre auf, würde dieser Film auf jeden Fall deutlich vor bei Fiction landen.
Johannes Franke: Ja.
Florian Bayer: Es ist vielleicht auch, die Cones zitieren natürlich auch immer gerne ein bisschen, in Fargo gar nicht so viel. Bei den Cones ist es aber mehr noch so eine eigene Sprache und eine eigene Vision. Bei Tarantino ist es sehr viel Zitat.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: stimmt. Und hier haben wir so, man kann die Filme vergleichen, die sind ungefähr selber Zeitraum. Bei den Cones ist dieses Visionäre dabei, die wollen mehr erzählen. Ja. Und ich bin Vielleicht ist es bei dem Film am stärksten von all ihren Filmen. Ich sehe die Cone immer so als die Propheten der düsteren Seiten Amerikas. Wir sehen ganz viel, was typisch amerikanisch ist. Das ist so ein amerikanischer Film. Nordamerikanisch, aber es ist ein sehr amerikanischer Film. Ja,
Johannes Franke: voll.
Florian Bayer: Wir sehen diese Ländlichkeit, wir sehen auch das Verbrechertum. Das ist auch ein großer Teil der amerikanischen Filmgeschichte. Du hast schon gesagt, es hat was von Western. Ja,
Johannes Franke: voll.
Florian Bayer: Letztes Mal hast du das gesagt, als du den angekündigt hast.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Wir haben sehr viele Tropes, die man aus der amerikanischen Kulturengeschichte kennt. Und die Cones sagen, okay, und jetzt gucken wir, was ist das Düstere, das Dunkle,
Johannes Franke: das Bitterere. Genau, ja. Was hältst du denn davon, dass ganz am Anfang steht, dass dieses eine wahre Geschichte ist und sie so erzählt wird, wie sie stattgefunden hat?
Florian Bayer: It's a joke. Mehr habe ich dazu wirklich nicht zu sagen.
Johannes Franke: Echt nicht?
Florian Bayer: Nee.
Johannes Franke: Ich finde es wahnsinnig gut. Ich finde es wahnsinnig wichtig für den Film und wahnsinnig gut. Ich bin am Anfang, als ich es das erste Mal gesehen habe, bin ich natürlich darauf reingefallen.
Florian Bayer: Ich auch, klar.
Johannes Franke: Ja. Die Zwischenstufe ist natürlich zu denken, haha, der macht sich lustig über diese ganzen True-Crime-Sachen. Ist,
Florian Bayer: glaube ich, ein Aspekt davon.
Johannes Franke: Ja. Und dann finde ich aber, dass das eine ganz bestimmte Atmosphäre lostritt. Wenn du sowas am Anfang liest, selbst wenn du weißt, dass das nicht stimmt, macht das eine Atmosphäre, die den Film... wahnsinnig unterstützt.
Florian Bayer: Es ist mir eigentlich ziemlich egal, dass es da steht. Was ist denn diese Atmosphäre? Ist das die True-Crime-Atmosphäre?
Johannes Franke: Nein, es ist, ja, weiß ich nicht genau. Ich hab mit True-Crime zu wenig zu tun, als dass ich eine Atmosphäre ausmachen könnte in True-Crime. Aber ich finde, dass dieses Gefühl stark unterstützt wird, dass die Tragik der ganzen Geschichte stark unterstützt wird, die Dummheit der ganzen Geschichte stark unterstützt wird und unterstützt wird wie das Welt... Bild, was damit einhergeht, unterstützt wird.
Florian Bayer: Ich finde halt, der Film hat so viel Parabolisches, so viel Fabelhaftes, dass dadurch, dass das gesagt wird, behauptet wird, der beruht auf wahren Begebenheiten. Das ist nur zu retten, wenn es ein Witz ist. Weil einfach, die Farbe leidet natürlich voll drunter, wenn das alles wirklich so passiert ist.
Johannes Franke: Aber nein, dafür ist der Film gut genug erzählt, dass er darüber hinaus wächst.
Florian Bayer: Ich will ja Cherry auch als so ein Archetyp. Vielleicht als so ein Verkäuferarchetypen und ich will diese Geschichte auch sehen als Erzählung darüber, was schief gehen kann, wenn Menschen in Amerika sagen, wir nehmen unser Schicksal in die eigene Hand. Und ich will sehen, wie das Land Verbrechen rezipiert und damit umgeht. wie Verbrechen wahrgenommen wird und so weiter. Und das geht alles, dieses Parabolische geht alles irgendwie so ein bisschen verloren, wenn ich sage, achso, ich erzähle, ich sehe hier eine Geschichte von Dingen, die wirklich in den 80ern passiert sind in Minnesota.
Johannes Franke: Ich, ja, also ich fand's tatsächlich, hat dem Ganzen ein bisschen Gravitas mehr gegeben als irgendwie, ja.
Florian Bayer: Das Witzige ist ja, dass die Cones mit diesem ganzen Ding voll rumgetrollt haben, weil die immer mal wieder gefragt wurden und natürlich, wie Fans sind, haben sie angefangen zu recherchieren und zu sagen, ah, da! 1986 ist das passiert, das könnte es sein. Und dann hat Joel gesagt, nee, nee, das war's nicht, guck mal weiter. Und dann hat Ethan gesagt, doch, doch, das war's. Und dann haben die so ein bisschen rumgetrollt und die verschiedensten Theorien und irgendwann hat jemand gesagt, okay, es ist alles Bullshit.
Johannes Franke: Wir haben uns das ausgedacht,
Florian Bayer: das klingt gut. Out of respect for the dead, the rest has been told exactly as it occurs. Ja, genau, the names have changed. Out of respect for the dead. Aber the rest has been told exactly as it occurred. Eigentlich sollte das, wie gesagt, ich bin auch drauf reingefallen, aber eigentlich sollte das der erste Hinweis sein, dass es kompletter Quatsch ist.
Johannes Franke: Die Cones haben gesagt, dass es ein Gefühl von Realismus und Dringlichkeit vermitteln soll. Naja, okay.
Florian Bayer: Ich weiß nicht, das Krasse ist ja, und das ist auch was, was die Cones echt können, diese Mischung aus Karikatur und Realismus. Das ist bei den Cones immer beides drin. Das sind Sachen so überspielt und verzerrt und so schräg, wo du denkst, okay, glaub dir kein Mensch. Und dann gleichzeitig verhalten. halten sich Menschen so realistisch.
Johannes Franke: Ja, ja, total. Man weiß, dass es solche Leute gibt wie Jerry. Man kennt solche Leute irgendwie. Vielleicht nicht im engsten Kreis, aber man hat solche Leute voll im Kopf. Natürlich ist der überzeichnet und larger than life, krasser als man sich das wirklich vorstellen kann. Aber man kann da voll andocken und weiß, okay, ja, ich kann hier mindestens zwei, drei Leute im Kopf irgendwo finden. die so sind.
Florian Bayer: Und die Authentizität entsteht dann vor allem im Verhalten, wenn so dieses Schwerpaar, dieses sie schwinden und so. Oder auch so, die Authentizität entsteht in diesen Banalitäten, die gezeigt werden. Wenn wir sehen, wie Norm im Polizeirevier vorbeikommt und Margie was zu essen mitbringt und sie dann mit vollem Mund sich unterhalten über die Briefmarken und über die Zeichnung und so Trivialitäten.
Johannes Franke: Voll. Finde ich total schön. Sowas mag ich auch total. Dafür sind die Cones, das können sie auf jeden Fall.
Florian Bayer: Und dann haben wir aber auch wiederum, was überhaupt nicht trivial ist, die Kameraarbeit von Roger Deakins, der viel mit den Cones daran gearbeitet hat.
Johannes Franke: Roger Deakins ist ein Gott, was das betrifft, muss ich sagen.
Florian Bayer: Was für epische Bilder der teilweise zeichnet.
Johannes Franke: Wahnsinn. Er macht das sehr, sehr gut. Er hat immer leicht überbelichtet, um dieses Weiß so richtig greifbar zu machen. Fand ich sehr spannend. Also der Film sieht nicht überbelichtet aus.
Florian Bayer: Hattest du keine Skibrille an, während du den Film geguckt hast? Ich habe sie irgendwann angezogen, weil ich Angst um mein Augenlicht hatte.
Johannes Franke: Und er hat sehr viel auf dieses Schwarze und Weiße gesetzt. Dieses Weiße und dann nachts sehr Dunklen, das aufeinandertreffen zu lassen. Ich finde, er macht das wahnsinnig gut. Er findet so, so gute Bilder und so viel Atmosphäre hängt genau davon ab.
Florian Bayer: Es sind immer diese Bilder von Verlorenheit auch.
Johannes Franke: Ja,
Florian Bayer: das ist geil. Das ist eine unglaublich große und weite Welt. und die Menschen sind darin irgendwie verloren und dann in ihrer ganz eigenen kleinen Welt. Jerry, der ja auch, ich meine, er hat offensichtlich verschiedene Schulden, weil er verschiedene Sachen gemacht hat.
Johannes Franke: Die alle schiefgegangen sind offenbar.
Florian Bayer: Der kommt da einfach nicht raus. Und Margie, die sich nicht vorstellen kann, dass irgendjemand lügen könnte. Und Norm, dessen wichtigstes Lebensziel es ist, diese Briefmarke zu kriegen. Jeder ist in seiner kleinen Bubble und das in dieser Weite, in dieser Verlorenheit. Das ist ein schöner Kontrast.
Johannes Franke: Nur um das einmal in den Raum zu werfen, das war der zweitwärmste Winter, den die hatten. Die Kopplers haben extra einen Film geschrieben, in dem alles weiß verschneit, höchster Schneestand überhaupt und so weiter ist und dann mussten die da echt Schnee hinkarren und Zeug machen. Das ist bitter. Ja, ich habe ein bisschen von Roger Deakins den Audiokommentar zum Film gehört und er meinte, ja. Naja, ich musste mich da ganz schön mit anfreunden, dass das einfach so, man kann nicht alles dann mit Schnee bedecken und wenn man sich in einem Film immer mal wieder hinten Dächer anschaut, ganz hinten im Bild, da ist kein Schnee, weil es einfach keinen Schnee gab.
Florian Bayer: Tatsächlich hat Fargo, das Bild in Fargo hat die stärksten Momente, wenn man nichts sieht. Wenn da irgendwo so ein Detail ist, ein riesiges Schneefeld, ein Auto.
Johannes Franke: Das ist wirklich großartig.
Florian Bayer: Und das haben wir auch in anderen, auch wenn wir die Außenaufnahmen haben von der Bar, in der Marci recherchiert, dann haben wir auch so diesen extrem verlassenen Ort und dann sind so sehr punktuell so zwei, drei Details gesetzt, ein LKW, der irgendwie so leicht am Rand steht. Das erzeugt ein gutes Gefühl von dieser Leere und von dieser Weite.
Johannes Franke: Total. Er wiederholt auch immer wieder das, was ich sehr spannend finde in diesem Film. Er wiederholt und zitiert sich selbst immer mal wieder. Es gibt diesen einen Moment, wo der Typ, der vorbeigefahren ist, als sie den... Polizisten umbringen, dem sie dann hinterher fahren, um ihn umzubringen. Da gibt es dieses eine Bild, wie er wegrennt von seinem Auto, was da umgefallen ist, rausrennt und wegrennt. Und ziemlich genau dieses Bild haben wir wieder, wenn unser, wenn Gär am Ende wegrennt, nachdem er eigentlich seinen Typen da gerade, Kollegen schreddert, haben wir genau das gleiche Bild, wie er wegrennt. Und der Film macht das immer mal wieder, dass er so eigene... Bilder, die er schon kreiert hat, einmal zitiert, um Verbindungen herzustellen. Um dich auch daran zu erinnern, ah, das war ja das und das war das und das war das. Ganz subtil. Ich find's super.
Florian Bayer: Ja, wir haben ja auch so diese tatsächlich exakten Bildwiederholungen, zum Beispiel die Holzfäller-Statue, die am Eingang von Brainerd steht, an der fahren wir mehrmals vorbei.
Johannes Franke: Stimmt, ja. Die steht da, glaub ich, gar nicht.
Florian Bayer: Haben sie sich einfach ausgedacht, haben darauf gestellt,
Johannes Franke: passt perfekt. Ja, super.
Florian Bayer: Ja, und es gibt so ein paar Aufnahmen einfach von Menschen, die fahren, von Menschen, die sich bewegen, die wiederholt werden und die vielleicht auch diese Monotonie dadurch ganz gut einfangen, das Leben dort.
Johannes Franke: Wie interpretierst du den Blick von Ger, als er da im Polizeiauto hinten sitzt und auf diesen Holzfäller guckt? Denkt er sich gerade, ach, am liebsten hätte ich jetzt diese Axt, die er da in der Hand hat? Oder denkt er sich irgendwas Reuevolles?
Florian Bayer: Nichts Reuevolles, aber er hat aufgegeben. Also er ist jetzt gefangen genommen, er denkt nicht mehr drüber nach, wie er da rauskommt. Wahrscheinlich denkt er gerade gar nichts mehr.
Johannes Franke: Ja, das Ding ist, wir wissen nicht ein einziges Mal, was er denkt. Der ganze Film über guckt er genau so, wie er halt auch dann im Auto guckt. Und wir können interpretieren und so und wir können durchschnitt, kann uns der Film irgendwas suggerieren. Aber eigentlich dieser Schauspieler macht nichts anderes den ganzen Film über.
Florian Bayer: Wahrscheinlich ist er am ehesten die Figur, die in einen Tarantino-Film passen würde. So ein bisschen die tickende Zeitbombe, der coole Killer, der die ganze Zeit ruhig ist. Und wir wissen er... kann ausrasten und dann sehen wir das Ergebnis. Aber wir sehen von Gier tatsächlich keinen Gewaltakt nach dem ersten Mord, den er gemacht hat. Er schießt den Polizisten und die beiden Leute, die vorbeifahren. Wir sehen nicht, wie Gier die Frau umbringt. Wie Gier Jean umbringt. Wir sehen nicht, wie Gier Karl umbringt.
Johannes Franke: Ja, da wird kurz vorher abgeblendet. Genau. Sehr gut. Aber dafür reicht ja der Woodchipper da. Was für eine Szene.
Florian Bayer: Ja, krass. Ah,
Johannes Franke: du.
Florian Bayer: Das ist wirklich ein düsterer Humor.
Johannes Franke: Dieser Blutschwall, der in den Schnee hineinrennt.
Florian Bayer: Das wäre ein krasses Bild. Und Margie stolpert wirklich so ein bisschen auch durch Zufall darüber. Sie fährt da rum, es ist eigentlich krass. Sie hat die ganze Zeit diese Recherchen gemacht. Und dann so, oh, oh, da ist das Auto, da ist das Auto.
Johannes Franke: Ich finde es super, ich finde es einen tollen Moment. Obwohl Zufall auch für mich in Filmen immer so ein kleines bisschen, naja, lazy. Aber in dem Fall funktioniert es auch wieder sehr, sehr gut. Und sie hätte dieses Auto nicht... gesehen, wenn Karl nicht so dämlich gewesen wäre, darauf zu bestehen, dieses Auto zu behalten. Ja,
Florian Bayer: absolut.
Johannes Franke: Apropos Schnee und Blut im Schnee.
Florian Bayer: Oha, ich höre was antraben.
Johannes Franke: Da trabt was an und zwar eine Top 3.
Florian Bayer: Unsere Top
Johannes Franke: 3. Ah, eine der schönsten Überleitungen. Wir haben es echt geschafft, mal zu Rot im Schnee zu kommen und haben unsere Top 3.
Florian Bayer: Top 3 Rot. Roter Schnee hast du gesagt, ne? Ja. Also nicht nur Blut, sondern generell Rot und Schnee. Also Schneewittchen, ganz viel Schneewittchen.
Johannes Franke: Genau.
Florian Bayer: Mein Platz 3 aus dem Jahre 2010 Wintersbone von Debra Krennic mit Jennifer Lawrence, die...
Johannes Franke: Noch nie gehört.
Florian Bayer: Es ist schon ein bisschen länger her, dass ich den gesehen habe, aber ich weiß, ich war vor allem beeindruckt von seinen winterlichen Bildern. Es geht um eine 17-Jährige, gespielt von Jennifer Lawrence, die in Missouri lebt mit ihrer Mutter und die sich auf die Suche nach ihrem Vater begibt, der in Schwierigkeiten ist, im kriminellen Milieu.
Johannes Franke: Wann gibt es roten Schnee?
Florian Bayer: Sie stapft durch den Schnee, es sterben Menschen, es gibt Blut.
Johannes Franke: Okay,
Florian Bayer: es ist ein wirklich guter, düsterer Film, Schnee. Die nächsten werden visueller.
Johannes Franke: Ich habe nur die üblichen Verdächtigen, es tut mir sehr leid. Richtig, richtig faule Liste von mir. Ich habe auf Platz 3 The Revenant, wie er sich da in diesen Bären hinein...
Florian Bayer: Oh ja, da ist Blut und viel Schnee. Vor allem, das wäre ja eher so Gedärme im Schnee.
Johannes Franke: Ja, das stimmt. Also nicht nur Blut im Schnee, sondern ziemlich viel ekelhaftes Skrei. Oder ist das ein Bär? Ist das ein Pferd? Ich weiß es schon gar nicht mehr. Nee, es war dieser Bär, oder?
Florian Bayer: Also der Bär ist auf jeden Fall, irgendwann liegt der Bär auf ihm mal. Oh man, Leonardo DiCaprio ist echt durch die Hölle gegangen, um das Kreis aus Gladbach zu fliegen. Gottseidank hat er ihn dann gekriegt. Ich hätte ihm vorher die nicht gekriegt. Das wäre das nächste Projekt gewesen.
Johannes Franke: Fuck, dass sich immer mehr da hineinjagen in so schlimme Sachen.
Florian Bayer: Mein Platz 2.
Johannes Franke: Ja?
Florian Bayer: Ein einfacher Plan.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Ein Thriller von Sam Raimi, in dem drei Freunde einen...
Johannes Franke: Sehr einfachen Plan haben und einen sehr langweiligen Film deswegen.
Florian Bayer: Ein wirklich, ein Sportflugzeug, wenn das abgestürzt ist und in dem ist sehr viel Geld drin, Millionen. Und dann beschließen sie, das geheim zu halten und das Geld irgendwann unter sich aufzuteilen. Aber natürlich gehört das Geld irgendwelchen Gangstern, die das Geld schmuggeln wollten und dann da hinfahren und die fertig machen wollen. Und es ist ein wirklich... super spannender Thriller, der im Schnee spielt und wir haben auch wieder mehrmals Blut im Schnee und ich habe keine konkrete Szene. Aber toller Film und vielleicht ein bisschen vergessen worden, aus dem Jahr 1998 mit Bill Paxton, Billy Bob Thornton und Bridget Fonda von Sam Raimi.
Johannes Franke: Ich habe meinen Platz 2. The Hateful Eight natürlich. Was sonst? Da ist sehr viel, sehr viel, sehr, sehr, sehr viel Schnee und sehr viel Blut. Ich muss zugeben, dass ich nicht ganz genau weiß, wie viel Blut wirklich im Schnee landet, weil die sind ja in dieser Habitatory, in diesem Haus da und bringen sich dort größtenteils um.
Florian Bayer: Es gibt kaum Blut im Schnee, oder? Obwohl doch, irgendwann kriegt man doch natürlich da, wie heißt sie, die Gangsterin kriegt auf die Fresse und dann wird auf jeden Fall in den Kamm verprackt.
Johannes Franke: Natürlich. Das wollte ich gerade sagen, Floor. Danke.
Florian Bayer: Mein Platz 1, wenn es einen Film gibt, von dem Tarantino seine Inspiration für Blut im Schnee hat, dann ist es Lady Snowplot aus dem Jahr 1973. Ein ganz großartiger Film, der vor allem für Kill Bill Vorlage war, wo eine Rächerin unterwegs ist um...
Johannes Franke: Ein asiatischer Film.
Florian Bayer: Ein asiatischer Film, den ich dir auch, ein japanischer Film, den ich dir irgendwann mal geben werde, weil ich bin kein Martial-Arts-Fan, aber das ist ein guter Martial-Arts-Film, ein wirklich guter Martial-Arts-Film.
Johannes Franke: Das hast du bei Dungeon & Dragons, in dem bei Dungeon & Dragons meine Güte, Crouching Tiger und Hidden Dragon gesagt. Da hast du absolut recht.
Florian Bayer: Genau. Und Lady Snowblood ist ein bisschen palpiger, ein bisschen trashiger, aber trotzdem auch ein wirklich epischer Film über die Rache einer Frau, die kämpft.
Johannes Franke: Okay. Ich hab auf meinem Platz 1 The Shining.
Florian Bayer: Oh, ja. Blut erschienen. Auf jeden Fall.
Johannes Franke: Wie er mit der Axt am Ende dieses... Fuck, ist eine harte Szene. Überall Schnee und dann noch dieses Maze, dieses Leblind, wo er da lang dem Kind hinterher...
Florian Bayer: Und dann haben wir am Schluss das Einfrieren von Jack Nicholson. Ja.
Johannes Franke: Schön, schön. Plätze. Ja, schön. Bisschen langweilig auf meiner Seite, aber ich muss deine Filme alle, glaube ich, einmal sehen, weil ich keinen einzigen davon wirklich gesehen habe.
Florian Bayer: Ja, ich habe drei von drei. Ich habe die heutige Liste gewonnen. Zurück zum Film. Scheiße.
Johannes Franke: Okay. Das war unsere Top 3. So, dann gehen wir nochmal zurück in Fargo. Haben wir noch irgendwas zu sagen? Gibt es noch irgendwelche Trivia-Sachen, die wir unbedingt auspacken wollen oder sonst irgendwas?
Florian Bayer: Ich bin wirklich, und das sage ich jetzt komplett ohne Ironie, ich bin wirklich glücklich, dass Norm sich so freut über die 3-Cent-Briefmarke und dass Margie dann nochmal die richtigen Worte dazu findet und dass sie dann zusammen im Bett liegen. Ich finde das Ende von dem Film ist wunderschön. Ich würde das nicht ändern wollen. Es ist ein bisschen holprig, ne? nachdem sie sitzt im Auto und sagt, das ist Modern Money, das wäre ein Moment, wo man ausmachen könnte. Dann wird Jerry festgenommen, das wäre ein Moment, in dem man hätte vorziehen können. Und dann liegen sie nochmal im Bett, aber es ist irgendwie, es ist schön, weil es stolpert so ein bisschen nach diesem ganzen Schmutz und diesem ganzen Leid, stolpert es dann so zu einem Ende, wo am Schluss einfach nur ein Ehepaar zusammen im Bett liegt und sich auf ein Kind freut.
Johannes Franke: Was ich ganz toll finde, ist, dass uns der Film an der Stelle nochmal sagt, übrigens, Nicht ein einziges Mal hat die Schwangerschaft der Frau eine echte Rolle gespielt. Ja. Was ich eine super Entscheidung finde. Es ist halt einfach eine schwangere Frau. Ja. Es ist ein bisschen wie so ein Damoklesschwert überall. Oh ja. Weil du die ganze Zeit das Mitlaufen hast, dass diese Frau ja schwanger ist und es könnte einiges passieren. Aber nicht ein einziges Mal machen die irgendwelche Scheiße damit, sondern es wird schön ignoriert, was ich super finde. Und darauf stößt uns einfach der Film am Ende nochmal. Indem er dann diese Line einfach einfügt. Ja, zwei Monate noch. Und ich finde es total wichtig für den Film, dass der so endet. Weil sie offensichtlich völlig unbeeindruckt auch nach dem letzten bisschen von diesem Mord ist. Weil sie einfach ihren fucking Job gemacht hat. Das war's. Sie kommt nach Hause in ein liebendes Zuhause. Alles ist schick. Sie hat ihren Job gut gemacht. Und es geht weiter. Und alle Idioten sind gestorben oder im Gefängnis. Und sie hat kein großes Trauma davon genommen. Und ich finde es super, sehr erfrischend. Weil alle anderen Filme, die ich so in der Richtung kenne, da sind dann, entweder es ist eine Komödie, die nichts ernst nimmt und dann ist nichts Gutes dabei. Oder Leute sind traumatisiert am Ende. Und ich finde es total schön, dass der Film sowas macht.
Florian Bayer: Auf jeden Fall. Wahrscheinlich der bekannteste Film der Cones?
Johannes Franke: Wahrscheinlich,
Florian Bayer: ja. Und wahrscheinlich auch der erfolgreichste Film der Cones. 7 Millionen hat er gekostet. 60 Millionen hat er eingespielt. Und er hat ja auch abgeräumt. Er war für mehrere Oscars nominiert und Frances McDormand hat einen Oscar gewonnen als beste Hauptdarstellerin. Und für das Drehbuch gab es einen Oscar für Joel and Ethan.
Johannes Franke: Super.
Florian Bayer: Nebenbei waren dann noch William H. Macy war nominiert als bester Supportdirektor. Der hätte es echt verdient gehabt.
Johannes Franke: Ja, absolut.
Florian Bayer: Und dann die üblichen für einen Film, der für alles nominiert wird. Best Picture, Best Director, Kamera und so weiter. Und so groß, dass er dann ja auch vor einigen Jahren erst eine Serie gekriegt hat. Hast du die Serie gesehen? Oh ja,
Johannes Franke: ich hab die gesehen.
Florian Bayer: Komplett?
Johannes Franke: Ich fand's großartig. Ich hab's nicht ganz, ich glaube ich hab die letzten zwei Staffeln oder letzte Staffel oder so nicht gesehen. Aber ich fand, also mit, wie heißt der, unser Hobbit? Ah, jetzt hab ich den. Martin Freeman. Martin Freeman. Mit Martin Freeman, die Staffel, war wirklich der absolute Hammer. Großartig. Die anderen Staffeln fand ich auch noch okay, aber nicht mehr ganz so gut wie die mit Martin Freeman.
Florian Bayer: Das Ding hat fünf Staffeln mittlerweile. Ich hab die ersten beiden gesehen. Ich fand die erste auch krass. Vor allem, ich bin mit absolut niedrigen Erwartungen reingegangen. Und dann haben die es geschafft, die die Serie gemacht haben, tatsächlich nicht den Film nachzuerzählen, stupide, sondern die Atmosphäre von dem Film aufzugreifen und daraus was komplett Neues zu erzählen. Und es ist einfach nur das Gefühl. Das ist genau dasselbe. Und das habe ich so noch nicht erlebt.
Johannes Franke: Das ist beeindruckend. Finde ich wirklich sehr beeindruckend. Absolut.
Florian Bayer: Wie man es schafft, dieses so scheiß auf die Geschichte. Wir versuchen einfach dieses Look and Feel und dieses Gefühl vor allem. Dieses Gefühl, was im Film steckt, in eine Serie zu packen. Das ist super gelungen.
Johannes Franke: Und Martin Freeman ist absolut großartig.
Florian Bayer: Martin Freeman ist toll als Jerry. Also er ist quasi diese Jerry-Finau. Aber dann eine komplett neue Geschichte. Erzählt er mal auch. raffiniert und auch mit diesen es geht schief und es wird noch blöder und die irgendwelchen Scheiß machen.
Johannes Franke: Ja, ja, ja. Ich find's großartig. Die haben ja tatsächlich zwischendurch schon mal versucht eine Serie loszuwerden damit. Weiß ich nicht, 99 oder sowas?
Florian Bayer: 1997.
Johannes Franke: Kathy Bates hat Regie geführt.
Florian Bayer: Und es gab einen Piloten, ne?
Johannes Franke: Mhm. Ich habe ihn nicht gesehen, aber er muss massiv gefloppt sein.
Florian Bayer: Aus dem Jahr 2003, ich habe ein Bild gesehen von der Magi und dachte dann, ich muss das nicht unbedingt gucken.
Johannes Franke: Okay.
Florian Bayer: Aber keine Ahnung, es ist tatsächlich, haben die für die Serie von 2014, haben sie sich nochmal so ein bisschen daran verdient.
Johannes Franke: Die Coens sind Mitproduzenten von der Serie gewesen. Man braucht diese Leute einfach, um das irgendwie hinzukriegen, glaube ich. Die müssen ja wirklich auch immer mal drauf schauen und sagen, ja. das ist so die Richtung, aber vielleicht müsst ihr hier nochmal ein bisschen schrauben und da ein bisschen schrauben, weil ich glaube, es ist schon sehr speziell Cohen.
Florian Bayer: Also was wir nehmen mit aus diesem Film, Steve Buscemi ist nicht,
Johannes Franke: is not circumcised. Und a funny looking guy.
Florian Bayer: Und a funny looking guy.
Johannes Franke: Ja, das ist das Einzige, was wir mitnehmen. Dankeschön, Floor. Floor.
Florian Bayer: Ich gehe nochmal die Liste durch, aber ich würde behaupten, also mein liebster Cohen ist Arizona Junior. Der wird auch immer mein Lieblings-Darcon sein. Ich glaube, Fargo ist auf Platz 2. Ganz großartiger Film. Großartig, die düsteren Seiten und die makaberen Seiten. Amerikas Eingefangenen, einer tollen Mischung aus Drama, Thriller und Farce. Fantastisch.
Johannes Franke: Ich kann Ihnen nichts mehr hinzufügen, außer wenn ihr ihn nicht gesehen habt, dann guckt ihn verdammt nochmal noch. Danke dir,
Florian Bayer: Plor. Danke, Johannes, dass du ihn mir gegeben hast. Das war lange her, ich war froh, ihn mal wieder gesehen zu haben. Ein absoluter Muss-man-sehen-Film.
Johannes Franke: Schön, das freut mich. Okay, dann, wenn ihr wissen wollt, was wir das nächste Mal besprechen, dann bleibt noch kurz dran. Wir spielen euch nochmal den schönen Jingle vor, den wir ganz am Anfang mal eingespielt haben und seitdem nicht geändert haben.
Florian Bayer: Ansonsten euch eine wunderschöne Woche. Danke fürs Zuhören und wir sehen uns.
Johannes Franke: Bis zum nächsten Mal. Ciao. Ciao.
Florian Bayer: So, Johannes. Wir waren jetzt echt amerikanisch unterwegs. Und zwar im Jahr 2025 bisher komplett. Wir sind mit Hamilton ins Jahr gestartet.
Johannes Franke: Ah, stimmt.
Florian Bayer: Hatten wir amerikanische Gründungsmythologie. Dann habe ich dir Pipe Fiction hinterher hingeklatscht. So das amerikanische Zitat, Feuerwerk schlechthin.
Johannes Franke: Ja, High Noon.
Florian Bayer: Dann High Noon. Pirate and Mort, so ein Hippie-App.
Johannes Franke: Stimmt, ja.
Florian Bayer: Und jetzt hatten wir mit Fargo nochmal den Nordamerikanischen. Also wir müssen echt raus. Wir müssen... Entschuldigung, also ich habe nichts gegen Amerika. Ich liebe Amerika.
Johannes Franke: Aber warum machen wir nicht einfach ein komplettes amerikanisches Jahr? Was ist los?
Florian Bayer: Zu spät. Ich habe nämlich einen Film fürs nächste Mal, der da nicht reinpasst. Ich will ihn dir schon länger geben und das ist neuer deutscher Film. Oh nein! Ich bin einmal damit gescheitert. Floor! Aber ich hoffe, diesmal habe ich Erfolg damit. Und nochmal Fassbinder. Aber diesmal richtig. Rein Fassbinder. Der hat alles gemacht in diesem Film. Als Auteur. Angst essen Seele auf. Okay. Ein ganz fantastischer Film. Ein Liebesfilm. Okay. Und ein, ähm, eine, ähm... Anklage gegen Rassismus und gegen Spießbürgerlichkeit und Enkelkirchlichkeit aus dem Jahr 1974. Wir versuchen es nochmal mit Deutschland, wir versuchen es nochmal mit Neuer Deutscher Film. Ich hoffe, er gefällt dir,
Johannes Franke: ich liebe ihn. Aber dann muss ich mich darauf verlassen, dass ihr da draußen auf jeden Fall mitguckt, damit ich nicht der Einzige bin, der jetzt leitet. Nein, also ich habe tatsächlich von diesem Film gute Sachen gehört. Obwohl ich mit Neuer Deutscher Film oft Schwierigkeiten habe, gehe ich ein bisschen davon aus, dass er ein bisschen mehr das trifft, was ich gut finde.
Florian Bayer: Aus dem Jahr 1974, schaut ihn euch an. Und nächste Woche diskutieren wir drüber, ob es ein Muss-man-sehen-Film ist oder ob Johannes für immer für den neuen deutschen Film verloren ist.
Johannes Franke: We know the answer to that one. Okay, gut. Bis dann. Ciao.
